Post bellum

Gedichte

von

Das Unverwechselbare der Stimme von Dragica Rajcic liegt insbesondere in ihrer Fähigkeit, mit Worten, die sich bewusst abheben von unserer Standardsprache, der Traurigkeit Ausdruck zu geben; einer Traurigkeit, die sich im Grunde aus einer einzigen Feststellung ableitet: Welt ist nur im Traum schön.
Aus der Laudatio anlässlich der Verleihung des Adalbert-von-Chamisso-Preises 1994 an Dragica Rajcic.
Leben mit und gegen den Krieg, verschontes, šicheres Leben neben dem Krieg und vor allem das Leben nach dem Krieg – die Normalität über Verpasstem und Verlusten, die Trauer, die Erinnerung – bilden das Hauptthema des neuen Gedichtbandes der kroatischen Lyrikerin. Die Texte sind im Zeitraum von sieben Jahren entstanden und spiegeln eindringlich die Rückkehr des Alltags, die Unmöglichkeit, sich mit Tod und Verwüstung abzufinden, die Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Vergeblichkeit, die Identitätssuche als Dichterin in fremd-eigener Sprache – Dragica Raj?cic schreibt in der Sprache ihres Gastlandes. Gleichzeitig schafft die Autorin aber auch eine Gegenwelt der Farben, der Leichtigkeit, der Poesie und des Witzes: Sie packt Unterschwelliges in konkrete Bilder, lässt uns über ungewohnte, fehlerhafte Wendungen stolpern und, fasziniert von der Treffsicherheit ihrer ungeschliffenen Sprache, über ihre Pointen mitlachend, anecken an der Enge unserer Vorstellungen und über alle Grenzen hinausdenken.
Dragica Rajcic, geboren 1959 in Split (Kroatien), lebt seit 1978 in St.Gallen. Hier Gelegenheitsarbeiten als Putzfrau, Büglerin, Heimarbeiterin, Aushilfslehrerin. Verheiratet, drei Kinder. 1988-1991 Kroatien: Gründung der Zeitung Glas Kasela; journalistische Arbeit. Nach Kriegsausbruch Flucht mit den Kindern in die Schweiz; Öffentlichkeitsarbeit über den Krieg in Ex-Jugoslawien. Bücher: Halbgedichte einer Gastfrau, 1986 und 1994; Lebendigkeit Ihre züruck, Gedichte 1992 (vergriffen); Nur Gute kommt ins Himmel, Kurzprosa 1994 (alle eco Verlag); Theaterstücke: Ein Stück Sauberkeit, 1993; Auf Liebe seen, 2000.
Bosnien 95
die lateinische wort für krieg fehlt mir
spaeter ein
jetzt suche ich kinder hose
schneide rechte bein ab
naehe zu die offnung
mit unsichtbaren garn
auf meine zunge liegt
unferlezt
ein unerhörtes
Gebett.