Potsdam und sein Militär im 18. Jahrhundert

Ein historischer Stadtführer

von

Potsdam diente mehr als 300 Jahre preußischen Königen und deutschen Kaisern als Residenz- und Garnisonstadt zugleich. In ihrer Nähe befanden sich daher auch immer elitäre Leibtruppen. Schließlich war es ein Verdienst dieser Truppen, dass sich Potsdam und seine Umgebung, mit den vielen Schlössern und Gärten, zur Kulturlandschaft ersten Ranges entwickeln konnte. Warum durch die Truppen? Die Siege Friedrichs des Großen und die langanhaltende Friedensperiode machten das große Aufbauwerk in Preußen erst möglich!
Ale erster Herrscher zog Friedrich Wilhelm I., genannt der Soldatenkönig, im Jahre 1713, mit etwa 700 Langen Kerls (Königs-Regiment No.6), darunter die Ersatzmannschaften, in den damals kleinen Fischerort Potsdam ein. Im Verlauf von 27 Herrschaftsjahren wurde Potsdam zur militärischen Musterstadt für Preußen. Der König entwickelte sich zum Vater der Soldatenstadt Potsdam. Zuerst löste er den verschwenderischen Hofstaat seines Vaters auf, gleichzeitig schaffte er die Garden ab. Von dieser Maßnahme ebenso betroffen, die Schweizer Garde, ehemals Leibwache von König Friedrich I. Letztere hatte nach Meinung des Königs zu höfisch gelebt und verfügte daher über keinerlei Kampfkraft mehr.
Unter der Regentschaft Friedrich Wilhelms I. machten die Stadt und der preußische Staat eine rasante Entwicklung durch. Die Stadt verdankte ihren Aufschwung allein dem Militär. Als der König 1740 gestorben war, hatte sich ihre Größe verdreifacht und verfügte über ein weitverzweigtes, modernes Manufakturwesen. Preußen war zudem schuldenfrei! In derselben lagen im Jahre 1739 3.861 Mann vom Königs-Regiment (No.6). Beherbergt wurden die Soldaten, zusammen mit den Ersatzmannschaften, in den Häusern von ca. 10.000 Einwohnern und in zusätzlich errichteten Wohnkasernen für die verheirateten Soldaten. Im Prinzip war Potsdam eine große Gesamtkaserne. Die angeworbenen Soldaten stammten aus aller Herren Länder und sorgten in der Stadt für ein babylonisches Sprachgewirr. Unter dem reformfreudigen und arbeitssamen König hatten sich zudem Tugenden herausgebildet, die es so früher nicht gab. Zu den wichtigsten Preußischen Tugenden zählte ein neues Arbeitsethos, das sich zuerst im Beamtentum und im preußischen Offizierkorps festigte. Ordnung und Rechtstaatlichkeit waren eine weitere preußische Devise, die den Soldaten eingebläut wurde und den vielen Einwanderern zum Nutzen gereichte. Preußische Sparsamkeit wurde bald zum neuen Markenzeichen für eine perfekte Haushaltsführung. Das Sparsamkeitsprinzip, staatlich verordnet, hat sich in Deutschland weitgehend erhalten. Friedrich Wilhelm I. war sehr fromm und liebte seine Soldaten, verabscheute aber ungerechte und kostspielige Kriege. Die berühmte Potsdamer Hof- und Garnisonkirche legte bis zu ihrer endgültigen Zerstörung, im Jahr 1968, von der ehrbaren Lebensweise des reformfreudigen Preußenkönigs Zeugnis ab. Am Ende seiner Regierungszeit zählte die Preußische Armee ca. 82.000 Mann. Die personelle Stärke reichte als Abschreckung gegen fünffach überlegene Militärallianz aus, in deren Mitte Preußen ja lag. Wie sich in den Kriegen Friedrichs des Großen zeigen sollte, war es aber nicht nur die Größe der Preußischen Armee, sondern ihre unübertroffene Ausbildung und Erziehung, die letztlich zum Sieg verhalf. Das Standhalten von 5 Millionen Preußen gegen eine Koalition von 90 Millionen hinterließ in aller Welt eine Bewunderung, die bis heute nicht vergessen ist. Den Grundstein für die erfolgreiche Armee Friedrichs des Großen hatte also der Soldatenkönig in Potsdam gelegt!
Bereits vier Wochen nach dem Tod seines Vaters stellte Friedrich der Große in Potsdam einige Garderegimenter auf, die teils hier einquartiert wurden (s. Anhang). Freilich zog er mit den meisten in Potsdam neu aufgestellten Regimentern sofort in den Ersten Schlesischen Krieg von 1740/41.
Aus der Zeit des 18. Jahrhunderts stammen die meisten hier aufgezählten und abgebildeten militärisch genutzten Bauten. Die frühen Wohnkasernen dienten damals Soldaten, die verheiratet waren oder Familie besaßen. Die Mehrzahl der Soldaten wohnte um 1740 freilich noch immer in Bürgerquartieren. Aus militärsoziologischer Sicht sind die Soldaten aufgrund der Einquartierung in der Stadt nicht als Fremdkörper empfunden worden, sie gehörten damals einfach dazu. Beide Seiten partizipierten von der Einquartierung, man vertrug sich recht und schlecht und der Handel wurde durch das Militär belebt. Der Hausbesitzer bekam vom König ein Servicegeld, der Soldat erfuhr durch den Hauswirt und dessen Familie eine einfache Betreuung und Bedienung. Dabei handelte es sich um das sogenannte Naturalquartier nach dem berühmt gewordenen Edikt von Sauer und Süß (Essig, Pfeffer, Salz). Die Potsdamer Langen Kerls, mit einer annähernden Größe von 2 m, galten in Europa als das „achte Weltwunder“!
Friedrich der Große profitierte von den Gründungsideen seines Vaters. Für Friedrich war die Stadt seit Kindheitstagen jeher ein Lieblingsort gewesen. Daher ließ er sich dort 1746 folgerichtig ein Kleinod, nämlich Schloss Sanssouci, errichten. Unter seiner Herrschaft nahm die Stadt eine prächtige Gestalt an. Der kunstverliebte König ließ Neubauten und Schmuckfassaden nach antiken Vorbildern an schönen Plätzen errichten, und schon bald wurde die Stadt zur Perle in der Streusandbüchse der Mark Brandenburg. In Potsdam standen unter Friedrich II. ebenfalls Leibtruppen, die er wieder zur Garde erhoben hatte und die er persönlich zu exerzieren pflegte. Zu den berühmtesten friderizianischen Truppen, die in Potsdam standen, zählten das I. Bataillon-Leibgarde (No.15), das Regiment-Garde (No.15), das Grenadier-Garde-Bataillon (No.6) und das berühmte Kürassier-Regiment der „Gardes du Corps“ (K13). Die Garderegimenter galten als Lehrregimenter für die Preußische Armee. Diese Truppen und deren Traditionsnachfolger waren mit der alten Residenzstadt Potsdam bis 1918 auf das Engste verbunden. In den drei Schlesischen Kriegen, aus denen Friedrich bekanntlich als Sieger hervorging, bewiesen die Potsdamer Garden eine besondere Kampfkraft. Das war auch noch in den Deutschen Einigungskriegen der Fall, ebenso im Ersten Weltkrieg.
In einer Zeit, da sich ein Teil unserer Gesellschaft mit Geschichtsvergessenheit abfindet, scheint es mir jedenfalls wichtig, das Wissen um unsere historische Vergangenheit wachzuhalten. Dazu gehören auch Kenntnisse über noch vorhandene, damals militärisch genutzte Bauten aus dem 18. Jahrhundert, die Krieg und Abrisswut überlebt haben. Der wahre ideelle und materielle Schatz einer Gesellschaft gründet sich auf dem „Alten“, nur darauf (oder in Opposition zu diesem) wurde alles Weitere aufgebaut!