Rätselhaftigkeit und innere Konflikte

"Weibliche Melancholie" in der Malerei und Grafik um 1900

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Was hat es mit all diesen melancholischen Frauen auf sich, die in der Malerei und Grafik der Jahrhundertwende mit versonnenem Blick ihren eigenen Gedanken nachhängen? Wie findet sich Melancholie und Weiblichkeit repräsentiert? Wo liegen die historischen Wurzeln und welche Bewertungen und Bedeutungen sind daran geknüpft? Ausgehend von einem kulturpsychologischen Ansatz untersucht Nina Jaenisch das nuancenreiche Phänomen ‚Weiblicher Melancholie’ um 1900, in dem sich die Sehnsüchte, Ängste und Neuerungen dieser Zeit im Übergang zur Moderne widerspiegeln. In Bildern von Heinrich Vogeler, Fernand Khnopff und Edvard Munch erweist sich Weibliche Melancholie’ als Projektionsfläche eigener Auseinandersetzungen mit dem Wandel von Kunstauffassung und Künstlerbild, aber auch mit dem veränderten Geschlechterverhältnis. Je nach Akzentsetzung ist sie mit Sehnsucht, Erotik und Krankheit verknüpft – Referenzen, die bis in die Antike zurückreichen. Doch zeigt die Jahrtausende alte geschlechtsideologische Dichotomie der Melancholie-Tradition im ausgehenden 19. Jahrhundert auch schon erste Auflösungserscheinungen. In der Untersuchung dreier Selbstporträts von Marie Bashkirtseff, Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker offenbart sich ‚Weibliche Melancholie’ als Ausdruck einer spannungsreichen Identitätsfindung, die von den widersprüchlichen Anforderungen an die Künstlerinnen dieser Zeit geprägt ist.