‚Raus aus seinen Kleidern‘

Essays zum filmischen Werk von Corinna Schnitt

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Corinna Schnitts Arbeitsweise ließe sich mit dem widersprüchlichen Terminus ›Inszenierungen des Authentischen‹ erfassen und hat in vielen Fällen eine Art Feldforschung zur Grundlage. Dies können Umfragen sein, Installationen, die bewohnt und zerstört werden, es können Laiendarsteller zum Einsatz kommen, ebenso aber auch Spezialisten in Umgebungen, in denen ihre Tätigkeiten fehl am Platz wirken; immer wieder auch ist die Künstlerin selbst beteiligt, in einer Mischung aus Schauspiel und Mimikry.
Den Schwerpunkt bilden dabei die Untiefen des Alltagslebens und die kleinbürgerlichen bis emanzipierten Figuren, deren Selbstentwürfe sich in ritualisierten Handlungen niederschlagen. Corinna Schnitt setzt sich vor allem mit dem oberfl ächlich Allgegenwärtigen auseinander,
wir sehen Vororte, Wohnsiedlungen, Familien- und Urlaubsfotos, Spielplätze, Verkehrsinseln oder Möbelhäuser, in denen sich diverse Akteure wie Familien mitglieder, Kinder, Senior/innen, Paare oder Singles bewegen.
Diese Orte und menschlichen Beziehungen werden so inszeniert, dass sie sich selbst und unserer Wahrnehmung entfremden. Das dokumentarische dieser Inszenierungen kippt dabei ins Unglaubwürdige, das Alltägliche/Gewohnte ins Unglaubliche. Immer wieder finden
die folgenden Elemente zusammen: Ein besonderes Interesse an augenscheinlich insignifi kanten Situationen, die Frage nach den Träumen und Wünschen, die sich diesen phantasiefeindlichen Umgebungen entgegensetzen wollen und die Absurdität, die sich darin zeigt. Corinna Schnitts Methode der künstlerischen Erforschung von Alltagswelten zeichnet sich dadurch aus, dass sie weder einen souveränen Standpunkt einnimmt noch eine teilhabende Beobachtung durchführt. Vielmehr macht sie die Inszeniertheit solch dokumentierender Perspektiven sichtbar, indem sie sich immer wieder auf lakonische Weise als Akteurin experimentell ins Spiel bringt. Die Unvereinbarkeiten zwischen Künstlerinnen-Rolle und tradierten familiären Handlungsmustern treten dabei ebenso hervor, wie sie sich gegenseitig ironisch refl ektieren. Auf diese Weise scheint das prekäre Lebensmodell ‚Künstlerin‘ stets im Hintergrund der Arbeiten auf.