Re Orso – König Bär

Zweisprachig. Deutsche Erstausgabe. Aus dem Italienischen von Helmut Schulze. Nachwort Konrad Kuhn.

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Über Kreta herrscht König Bär – getreu seiner Devise Terroris terror. Der Tyrann bedient sich dabei willfähriger Vollstrecker: des Narren Papiol, der Würgeschlange Ligula und Trols, eines Riesen: »Ei, wie vor dem Wanst / das Henkerbeil tanzt … / Trol, Scharfrichter, Koch, / Schindet Kinderlein, / Kocht dann Nudeln fein …« Re Orso aber, Verkörperung des unendlich Bösen, ist ein von Paranoia Getriebener mit pathologischen Zügen – Panik vor einem Wurm, der über ihn triumphieren könnte, gibt ihm das Morden ein.

Der Philosoph Benedetto Croce zeigte sich im Banne von Boitos bizarrer Dichtung: Er entdeckte darin die »ganze theatralische Gesellschaft, Requisiten der Romantik: Zwerge, Mörder, grausame Prinzen, Troubadoure, jüdische Mädchen, Mönche, die Dämonen sind, verzauberte oder gebändigte Tiere, Schlangen, Würmer, Hyänen und Wölfe wie auch Hochzeitsszenen, Gesänge verliebter Poeten unterm Balkon der Schönen, Bankette, Gemetzel, Begräbnisse, Gräber und Gespenster … Aber das ist nicht nur Parodie, ist ernst. Das Böse als Naturerscheinung, das Böse ausbrechender Vulkane, der Erdbeben, des stürmischen Ozeans und wilder Bestien … Das ist Dichtung, die an Musik grenzt …« Boitos schwarzes Poem entstand 1865 in unverkennbarer Nachfolge Dantes, Shakespeares, Victor Hugos und Edgar Allan Poes, Elemente bei Alfred Jarry, Marinetti oder Buzzati vorwegnehmend. 2012 wurde Marco Stroppas Oper Re Orso nach Boito in Paris uraufgeführt.