reihe licht

von

»WENN DIE WASSER DER SCHATTEN AN KLARHEIT GEWANNEN / ICH BIS ZU DEREN GRUND ZU BLICKEN VERMOCHTE.«

In ihrem neuen Gedichtband die stadt hielt ihre flüsse im verborgenen unternimmt Jayne-Ann Igel eine Wanderschaft durch die ihr vertrauten Gefilde. Innere Seelenlandschaften treten in wie von dünnen Schleiern verdeckten Sprachbildern zutage, diese dabei aber niemals vollständig enthüllend. In der Vertrautheit regt sich die Erinnerung an das, was man mit der weltlichen Existenz und deren Vergänglichkeit verbinden möchte – zwei Leitmotive, die die inhaltliche Richtschnur des Bandes bilden.
Dabei reicht die als Zyklus angelegte Text- und Bildsammlung, die als zweiter Band in der neu installierten gutleut-Reihe licht erscheint, von kurzen lyrischen Betrachtungen bis hin zu jenen, die zwischen Lyrik und Prosaminiatur changieren: in ihrer gattungsbezogenen und inhaltlichen Struktur ein wesentliches Merkmal, das der neuen Publikationsreihe als maßgebendes Charakteristikum eingeschrieben sein wird. 
In sechs Abschnitte gegliedert beherbergen diese als zyklisch angeordnete Kapitel jeweils fünf bis zwölf Texte, in denen innere und äußere Entwicklungen ausgemacht werden können. Denn was zu Beginn nur flüchtig angedeutet wird, markiert am vermeintlichen Ende einen Neuanfang, in dem sich ein autobiografisches Gedächtnis mit dem Dasein an und für sich verschränkt. Ein behutsames Einflechten von Bildern aus dem fotografischen Werk der Autorin, die an Landschaften in Träumen erinnern, verstärkt das Nebeneinanderbestehen wie gleichsam Ineinanderüberfließen von Texten und Textebenen. Einerseits ihre Eigenständigkeit postulierend, erschließen die Texte eingebettet in den Zyklus erst ihre tiefe Bedeutung, in der der »traum«, die »dämmerung« oder das »wasser« als wegweisende Elemente immerzu wiederkehren. Die Verbundenheit mit der Natur erweist sich als eine wesentliche Quelle der schöpferischen Kraft der Autorin, die als eine vielseitige und neugierige Sprachkünstlerin mit leichtfüßiger Melancholie davon erzählt, wie ein Mensch seine eigene Wirklichkeit entstehen lassen und betrachten kann.
Jayne-Ann Igel erzeugt auf poetische Weise auch einen Widerspruch, wenn sich hier »zeugnisse eines lebens« der »mär von der eigenen wiederkehr« entgegenstellen und lädt damit zu einer Reise in das eigene Unterbewusste.