Gábor Schein lässt in seinem Roman ein Wunder geschehen: Péter nimmt ein letztes Mal Kontakt zu seinem verstorbenen Vater auf und führt ein Gespräch mit ihm, das zu Lebzeiten nie möglich war. Im Leben hatte ihnen die Sprache gefehlt, doch im Tod kann nur sie das Gewesene wieder lebendig machen. Es gibt eine Geschichte zu erzählen und es sind Fragen zu beantworten. Um das zu vollbringen, schreibt Péter ein Buch und wird so zum Autor seiner eigenen Vergangenheit. Er widersetzt sich damit dem Verbot, das der Vater, in den letzten zwei Monaten seines Lebens selbst der Stimme beraubt, dem Sohn auferlegt hatte.
Um seine Familiengeschichte zu schildern wechselt der Ich-Erzähler die Ebenen: In Sprüngen gelangt er von der Intimität des Zwiegesprächs in eine narrative Außensicht. Indem er sich selbst mit Péter und seinen Vater mit M. benennt, gewinnt die Erinnerung an Realität und seine Geschichte wird erst so als Kontinuum sichtbar.
Mit diesem kunstvollen Arrangement hat Gábor Schein einen authentischen Helden, dessen Wunsch in Erfüllung geht.
Zu lange hatte ich geglaubt, dass es heilende Sätze gibt, und so spürte ich nun um so stärker, dass diese, selbst wenn es sie gibt, für uns unaussprechlich sind, ihr Ausbleiben aber dennoch einem Scheitern gleichkommt. (.)
Und wie schon früher, zwingt mich deine Stummheit, dieses gereizte, beleidigte Zurückweisen des Gesprächs, das mich, der ich immer Erklärungen wollte, Geschichten, welche die undurchdringbare Bitterkeit zumindest verständlich werden ließen, in die ausweglosesten Situationen drängte, auch jetzt wieder zu reden, nunmehr ohne jede Hoffnung auf Antwort, während ich deine Stummheit dennoch als Stummheit bewahren möchte. Nur das Reden kann deinen Tod verstummen lassen. (Aus: „Lazarus!“)
- Veröffentlicht am Mittwoch 1. September 2004 von Edition Solitude
- ISBN: 9783929085952
- 136 Seiten
- Genre: Belletristik, Erzählende Literatur