Das „Riwwel“ auf gut hochdeutsch Streusel sind, weiß vielleicht auch der Nichthesse. Es ist auch nicht so schwer, den Oorsch als Arsch zu erkennen. Aber ist damit die Bedeutung des „Riwweloorsch“ schon erklärt? Natürlich nicht! Das Rätsel löst sich, wenn Sie zu dem in diesen Tagen im Hanauer CoCon-Verlag erschienenen hessischen Schimpfwörterbuch greifen: Beim „Riwweloorsch“ handelt es sich um einen ständig rastlosen, unruhigen und ungeduldigen Menschen. Er hat offenbar Streusel in der Unterhose. Schimpfen nach Herzenslust ist eine entspannende Methode, sich Ärger vom Hals zu schaffen. Schimpfen dient dem Stressabbau und fördert die seelische Gesundheit. Auf der anderen Seite droht die Gefahr, den Beschimpften zu verletzen, Gräben aufzureißen und Freundschaften durch ein falsches Wort zu zerstören.
Hessische Schimpfwörter können helfen, die Klippe zwischen dem Bedürfnis, sich mal Luft zu verschaffen, ohne den anderen abgrundtief zu beleidigen, erfolgreich zu umschiffen. Denn trotz der derben Sprache schwingt in vielen Schimpfwörtern ein liebevoller Unterton mit. Deutlich wird das zum Beispiel, wenn in freches oder lebenslustiges Mädchen als Lumpekrott bezeichnet wird. Die promovierte Germanistin Hildegard Hogen hat in dem Büchlein über 150 Schimpfwörter untersucht, erklärt und sie auf ihre sprachlichen Wurzeln untersucht. Den „Säckel“ führt die Sprachwissenschaftlerin auf das lateinische sacellus (Geldtasche) zurück; beim „Säckel“ handelt es sich also um einen durchtriebenen Menschen, der andere in die Tasche steckt. Der Dollbohrer ist eigentlich ein Werkzeug, mit dem der Zimmermann die Löcher für die „Dollen“, die Holzzapfen ins Holz bohrt. Als Schimpfwort sorgt der Anklang von „doll“ an das hochdeutsche „toll“, das uns heute noch in den „tollen Tagen“ begegnet, dass hier ein Mensch charakterisiert wird, der mit Verbissenheit und Sturheit eine närrische Idee verfolgt.
Aber keine Angst! Trotz des Bestrebens nach sprachlicher Genauigkeit ging es dem Verlag nicht darum, ein wissenschaftliches Werk vorzulegen. Im Gegenteil! Die sprachlichen Erklärungen sind eingebettet in witzige Zeichnungen der Filmemacherin Leonore Poth, mit denen sie spitzfindig die Labbeduddel, Spitzklicker, Babbsäck, Häwwesdeesjer und Trutschel karikiert. Es ist ihr treffend gelungen, die in den Schimpfwörtern liegende Überspitzung in ihren Illustrationen zum Ausdruck zu bringen. Und deshalb eignet sich das liebevoll ausgestattete Büchlein hervorragend als Geschenk. Einmal für Nichthessen, die damit ihren Schimpfwörterschatz erheblich erweitern können und verstehen, was gemeint ist, wenn sie als „Dappes“ oder „Schlippsche“ bezeichnet werden. Aber auch eingefleischte Hessen werden ihre Freude an dem Büchlein haben. Hessen ist ein vielschichtiges Gebilde mit großen regionalen Unterschieden, die auch im Schimpf-wörtergebrauch zum Ausdruck kommen. Nur wenige Kilometer weiter, und schon hat sich die Urschel“ in die „Orschel“ verwandelt. Und sicher trägt es zum Familienfrieden bei, wenn die Bezeichnung als „Hannebampel“ nicht als bösartig Beschimpfung, sondern als Aufforderung, seine Trägheit zu überwinden.
Riwweloorsch un Hannebambel
Die schönsten hessischen Schimpfwörter