Rückblick

Vorfahren und Erinnerugen

von

Dieses Buch ist mehr als eine private Lebensgeschichte. Walter Rassow – 1924 als Kind einer Südafrika-Deutschen in Leipzig geboren, nach 1945 Jurist und schließlich Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe – ordnet sein Leben in den breiten Strom deutscher Kultur und Geschichte ein und setzt seine Vorfahren lebendig ins Bild: Ritter Asche von Cramm, dem nach den Bauernkriegen das Gewissen so sehr schlug, dass Martin Luther ihm das Buch „Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein können“ auf den Leib schrieb, Friedrich Krutisch, der als Königlicher Hofgärtner die Orangenbäume vor Schloss Sanssouci pflanzte, oder Leopold von Henning, der sich als Philosophieprofessor in Berlin den Hörsaal mit Kollegen Hegel teilte. Dazwischen versammeln sich die historischen Frauenfiguren: von der Zolleinnehmerstochter über die Zunftmeistersgattin hin zu den empfindsamen Sängerinnen, die die Tradition des musikalischen Salons aus den Metropolen der Kaiserzeit in die junge Weimarer Republik trugen, wo der kaum sechsjährige Walter jene Impulse aufnahm. „Melodien eines Lebens“ nennt er denn auch den zweiten Teil seines Buches über die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit. Seine eigene Geschichte als junger Marinesoldat bewertet er ebenso kritisch wie die mit den Nürnberger Prozessen verbundene Aufarbeitungskultur oder die zweitausend Jahre nach Christi kaum überwundenen Ursachen für Völkermord und Krieg. Seine Reflexionen, entfaltet an Musikstücken wie der „Matthäus-Passion“, bezeugen, dass jeder Mensch als Kind der eigenen Zeit und Verhältnisse handelt. Sie sollen als Vermächtnis eines Mannes gelesen werden, der für Gerechtigkeit einzustehen und aufzuklären versucht. Die Sonne dünkt mich hier so kalt Schuberts „Wanderer“ findet eine Welt vor, die Walter
Rassow in neun Jahrzehnten durchschritten hat. Seine Abscheu gegen die Mechanismen der Macht hat das bestärkt, aber auch seinen Glauben an das aufrichtige Wort und die menschliche Liebe.