Schlaflos mit Kleopatra

Mein erster psychotischer Schub und was danach geschah

von

Ich sitze im Café. Die Frau kommt geradewegs auf mich zu, setzt sich neben mich an den Tisch und sagt: „Du siehst gut aus!“
Sie ist charmant – und direkt. Sie lässt mich vergessen, wie es mir in den letzten zwei Tagen ging.
Zielstrebig steuert sie unser Gespräch. Es gefällt mir, mal von einer Frau geführt zu werden.
„Wie heißt du?“, fragt sie.
Ich sage: „Wilson“, und zwinkere.
„Wilson gefällt mir. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, lieber hätte ich, wenn du Keops heißen würdest.“
„Okay“, sage ich, „vorausgesetzt, du heißt von nun an Kleopatra.“
„Gerne. Ich hoffe nur, dass ich diesem Namen gerecht werden kann.“

***

Diese bestechend-einfühlsame Erzählung des albanisch-stämmigen Schriftstellers Selajdin Gashi beschreibt in selten zu lesender Präzision, wie es sich anfühlt, in eine „psychische Parallelwelt“ abzugleiten. Während eines Mittelmeer-Urlaubs stellen sich schlaflose Nächte und wirre Gedanken ein, die Erlebnisse am Meer sind schillernd und bedrohlich zugleich, Erinnerungen an die eigene Kindheit werden lebendig, Paradies und Abgrund liegen nah beieinander.
Die anschließenden Erfahrungen in der deutschen Psychiatrie werfen wiederum die Frage auf: Was ist eigentlich normal?