Schnee von Teheran oder vom Verlassen des Geländes

von

Babette Kleinhempel ist eine Lehrerin, die lieber verschämt zugeben würde, Callgirl, Bestatterin oder Waffenhändlerin zu sein – „das war wenigstens richtig anrüchig, das waren die Berufe, die vor die Stadttore gehörten“ – als sich zu ihrer tatsächlichen Profession zu bekennen, aus der sie sich innerlich längst verabschiedet hat.
Die einzige Gelegenheit, diesen Eskapismus auszuleben, sind jeweils die Großen Ferien. Sie bieten der Protagonistin den Raum für Bildungsreisen zu ihren familiären Wurzeln, zu den Quellen der körperlichen Arbeit, in die Bergwerke – immer auf der Suche nach der Faszination des Ursprünglichen. Unterwegs trifft sie „die Toten und die Torten“, erfährt einiges über die Zusammenhänge zwischen Todesangst, Lebenshunger und Leichenschmaus, entdeckt, dass „Spirituelles in Kathmandu … ziemlich spießig (ist) im Vergleich zu Kakaotrinken in Hammerfest.“
Auf diese Weise sammelt sie Ideen und Rezepte für den persischen Zuckerbäcker Reza, der sie gelehrt hat, die Zuckerbäckerei und ihre Produkte nicht nur als Spiegel einer Kultur zu begreifen, sondern auch als entscheidendes Mittel zur Bewältigung des realen Lebens und seiner Anforderungen. Insofern ist man als LeserIn auch nicht desillusioniert, wenn Babette am Ende ihrer Reisen, ihre fiktiven Fluchten, wieder in den Schulalltag zurückkehrt unter dem Druck mitleidloser Überweisungen am Monatsende, der Notwendigkeit von Altersvorsorge und Krankenversicherung. Schließlich bleibt die Aussicht auf die Verwirklichung eines Projekts gemeinsam mit dem kongenialen Reza: Der Nachbau der Sieben Weltwunder als Desserts.