Schopenhauers Lebensweisheiten für Individualisten und für Kreative

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Zitiert wird aus Schopenhauers «Aphorismen zur Lebensweisheit» von 1851. Verfasst hatte er sie für das Bildungsbürgertum des 19. Jahrhunderts als Anleitung zu einer geglückten Lebensbewältigung. In allen Punkten tauglich dürften sich die Ratschläge wohl nur für Individualisten und Kreative erweisen. Doch freiwillige Außenseiter mit Substanz finden hier eine Rechtfertigung ihrer intuitiv gewählten Eigenständigkeit.
Doch bei der individualistischen Glückslehre ist es nicht geblieben. Sie überbietend hat Schopenhauer ein Werk der psychologischen Anthropologie verfasst. Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Entstehungszeit der «Aphorismen», war die Trennung zwischen Philosophie und Psychologie noch nicht abgeschlossen. Wenn daher der psychologische Aspekt in den «Aphorismen» überwiegt, ist das zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich.
Erschienen sind die «Aphorismen zur Lebensweisheit» 1851 in Band I von «Parerga und Paralipomena: Kleine philosophische Schriften», Berlin: A. W. Hayn, S. 297 – 265. Die Innenseiten dort messen 125 x 210 mm, das Textfeld 95 x 165 mm bei 38 Zeilen pro Seite, gesetzt in Breitkopffraktur. Nur dieser Druck ist von Schopenhauer autorisiert, die erweiterte zweite Auflage von 1862 nicht mehr. Sie ist eine posthume Collage mit Notizen aus dem Nachlas. Diese nicht autorisierte Bearbeitung wurde und wird von den meisten Verlagen und Herausgebern verbreitet. Beibehalten sind in dieser Edition die zeitgenössische Orthographie sowie Schopenhauers eigenwillige Interpunktion.
Kommata, die nach heutiger Schreibweise am Platze wären, sind in eckiger Klammer eingefügt, um den Leserhythmus zu erleichtern. Die Ziffern in eckiger Klammer verweisen auf die entsprechenden Seiten im Originaldruck.
Schopenhauer vertritt in dieser Schrift die Auffassung, dass, je geistvoller ein Mensch sei, um so individueller gerate seine Persönlichkeit und um so befremdlicher würden ihn die Durchschnittsköpfe empfinden.
Wer sich seiner intellektuellen Veranlagung wegen vom Miteinander im Alltag ausgegrenzt oder enttäuscht fühlt, solle sich damit abfinden und sich die Freiheitsgrade bewusst machen, die das Alleinsein bringe. Die dritte Kernaussage seiner «Aphorismen» lautet: Was anderen beliebt, sich in ihren Köpfen über ihn zurechtzulegen, solle dem Betreffenden einerlei sein, sofern sie ihm nicht schaden können.
Die «Aphorismen zur Lebensweisheit» wurden zu Schopenhauers beliebtestem Werk. Bis zu ihrem Erscheinen war er kaum bekannt. Erst mit dieser psychologischen Schrift stellte sich der ersehnte Ruhm ein, auch als Philosoph.