Schriftenreihe des Kunsthistorischen Instituts der Universität Stuttgart

Zur Einordnung eines dekorativen Details im Rokoko

von

Die Mode generiert in raschem Wandel Bilder, Formen und Bedeutungen. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts tauchten – vielleicht in Folge von einem wieder erstarkenden Interesse an der Ästhetik des Barock – plötzlich überall Rüschen auf: von der Haute Couture über das prêt-à-porter bis hin zu den Massenprodukten erfreuen sie sich seitdem fast uneingeschränkter Beliebtheit, und das ungeachtet ihres durchweg schlechten Rufes. Was hat es mit den Rüschen tatsächlich auf sich?
Die Rüschen, zunächst beiläufige, modische Details, entwickelten sich im 17. und 18. Jahrhundert zu mehrdeutigen, in gewissen gesellschaftlichen Kreisen unverzichtbaren Schmuckelementen und Statussymbolen. Auf den reich ausgestatteten Porträt-Gemälden des Rokoko treten sie so dominant in Erscheinung, dass man versucht ist, von einem ästhetischen Prinzip zu sprechen. Parallel zur Ornamentform der Rocaille verwandelte sich die Rüsche im Rokoko von einem reinen Dekorationselement in einen Bildmodus. Sie wurde zu einem Kristallisationspunkt für das Verhältnis von Illusion und Realität im 18. Jahrhundert, das sich in der Wahrnehmung des Bildes als Kunstwerk manifestierte und der Abstraktion einen ersten Weg ebnete.