Unter dem Diktat der ‚Schicklichkeit‘ wies man Frauen Instrumente wie Cembalo, Clavichord, Glasharmonika, Laute, Gitarren-Instrumente und Harfe zu, während Schlaginstrumente, Violoncelli und Kontrabässe, Blechblasinstrumente, Orgel, Holzblasinstru¬mente und Violinen – etwa in dieser Reihung – in den Augen der Zeitgenossen mehr oder weniger im Widerspruch zu den Normen von Schönheit, Anmut, Kleidung, Haltung, Charakter und Bewegungsidealen bürgerlicher Frauen standen. Bei der allmäh¬lichen Überwindung dieser Zuschreibungen, die bis heute nicht abgeschlossen ist, spielt die Geige eine besondere Rolle: Im Lauf des 19. Jahrhunderts nahmen die Einwände gegen die Wahl des Instruments allmählich ab; die Zahl der tatsächlich öffentlich als Violinistinnen auftretenden Frauen steigerte sich zwar nicht kontinuierlich, aber doch in – je nach Land und politischer bzw. sozialer Situation unterschiedlichen – Schüben so weit, dass um 1900 an einigen Hochschulen vor allem in England, Frank¬reich, Deutschland, Österreich und in den Vereinigten Staaten so viele Geigerinnen ausgebildet wurden, dass von da an erstmals die Frage nach Zugang zu Orchestern öffentlich gestellt und diskutiert wurde.
Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts
Geigerinnen um 1800