Seelenlandschaften

Musik und Dichtung - Joachim-Ernst Berendt liest spirituelle Poesie

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Joachim-Ernst Berendt liest „Seelenlandschaften“, spirituelle Poesie von Rainer Maria Rilke mit Musik von Philip Catherine, Krzysztof Zgraja und Vladislav Sendecki

Der inzwischen verstorbene Musikjournalist Joachim-Ernst Berendt hatte bereits 1997 die Idee eine CD mit spiritueller Poesie von Rainer Maria Rilke selbst zu lesen und mit renommierten Jazzmusikern zu vertonen. Anders als das populäre „Rilke Prokjekt“ des Produzenten-Duos Schönherz & Fleer, ist dieses Werk sehr spirituell und intellektuell ausgerichtet.

Seelenlandschaften betrachtet Joachim Ernst Berendt als „Höhepunkt“ seiner vielen Dichtungen und Musikproduktionen. Der Gitarrist Philip Catherine, der Flötist Krysztof Zgraja und der Pianist Vladislav Sendecki stimmen sich hier musikalisch auf die mit Bedacht ausgewählten Gedichte von Rainer Maria Rilke und die besondere Sprachmelodie des Sprechers Berendt ein. Rilke galt Berendt als der Visionär des neuen (spirituellen) Bewusstseins. Dem Gedicht „Bin ich ein großer Gesang?“ fühlte er sich besonders tief verbunden. Kein Programm oder Aufruf zur Meditation ist hier angesagt. Vielmehr eine Einladung ins Unsichtbare, Gesichtslose zu lauschen – Einsicht in die Natur des Vergänglichen und innere Gewiss-heit des Unvergänglichen zu gewinnen: „Immer wieder nehmen wir Abschied“ heißt es bei Rilke. Und: „Hiersein ist herrlich!“ / CHRISTIAN SALVESEN

Stefan Zweig meinte, Rilkes Verse „dröhnen von ihrem Übermaß an Musik“.
Rilke-Kenner und Philologen bitte ich um Verständnis, daß ich um des Zusammenhangs und der besseren Verständlichkeit willen an einigen Stellen Texte aus ihrem ursprünglichen Kontext versetzen mußte. Zum Beispiel: „Wolle die Wandlung“ (in Nr. 2) stammt aus den ,Sonetten an Orpheus‘, das unmittelbar darauf folgende ,Du mußt dein Leben ändern‘ aus dem ,Torso Apollos‘ in den ,Neuen Gedichten‘ – und dennoch meine ich: Die beiden Stellen gehören zusammen. Oder (ebenfalls in Nr. 2): Die „Kirchen, welche Gott umklammern“ (aus Rilkes Jugendwerk, dem ,Stundenbuch‘) beginnen bereits an der Brücke zum „Postamt am Sonntag“ zu bauen, mit dem Rilke die geschlossenen protestantischen Kirchen in den ,Duineser Elegien‘ vergleicht. Rilke schlug die Brücke, also ging ich sie. Auf diese Weise habe ich manchmal Texte aus drei verschiedenen Rilke-Werken in einen Zusammenhang zu führen versucht.

Ich bin mir des Risikos dieser Arbeitsweise bewußt, aber mein Respekt vor Rilke ist zu groß, als daß ich mir vorstellen könnte, irgendwo die zulässige Grenze überschritten zu haben. – Ich habe vierzig Jahre lang Platten, Sendungen, Veranstaltungen mit Gert Westphal produziert. Da habe ich gelernt: Es ist Aufgabe des Sprechers, schwierige Stellen so zu sprechen, daß sie verständlich werden. Ich danke Gert für diese Lektion. Ich hoffe – bin nicht sicher -, daß ich sie verstanden habe.

Wahrscheinlich werden die Rilke-Leser, die ihren Dichter pur haben wollen, ihn nicht in einem musikalischen Gewand suchen. Bei der Arbeit merkten wir, daß sich dieses Gewand dem Fluß der Rilkeschen Sprache so anschmiegt, daß wir uns wunderten, warum nicht längst schon jemand auf den Gedanken gekommen ist, eine solche Platte zu machen. In der Musik dieser CD schwingt – wie ich es bei meinen Arbeiten liebe – „die Musik der ganzen Welt“: Meditatives und Gregorianik, Jazziges und Indisches, Bach und Mozart, Schubert und Schönberg, christliche Choräle und buddhistische Hymnen. Joachim Ernst Berendt

Joachim-Ernst Berendt (Baden-Baden/Deutschland)
JOACHIM-ERNST BERENDT wurde 1922 geboren in Berlin als Sohn eines Pfarrers geboren, der zu den führenden Männern des Widerstandes der evangelischen Kirche gegen Hitler gehörte und im Konzentrationslager Dachau getötet wurde. Als 23jähriger war Berendt 1945 einer der Gründer des Südwestfunks. Er ist Autor von 33 Büchern, die in 21 Sprachen übersetzt wurden. Sein Jazzbuch gilt mit einer Gesamtauflage von fast zwei Millionen als meistverkauftes Musik-Buch überhaupt. Es ist an den Universitäten und Hochschulen der USA das meistbenutzte Textbuch über Jazz. Berendt war 1964 Gründer des heutigen „Jazzfest Berlin“, war Leiter des weltweit ersten World Music-Festivals (1967 in Berlin), des Olympia Jazz-Festivals München 1972, des World Jazz Festivals auf der Weltausstellung Osaka 1970 und von Jazz and World Music im Lincoln Center New York 1984. Die ZEIT nannte ihn einen „Vater der modernen Weltmusikbewegung“. Zu seinem 75. Geburtstag ehrten ihn der WDR Köln, das deutsch-französische Kulturfernsehn Arte, der Süddeutsche Rundfunk und andere Sender mit großen Fernsehkonzerten.

Seit der 2. Hälfte der 70er Jahre war Berendt vor allem durch seine Arbeiten über den Klangcharakter der Welt und die Bedeutung des Hörens hervorgetreten – vor allem durch seine Bücher „Nada Brahma“ (rororo), „Das Dritte Ohr“ (rororo), „Ich höre, also bin ich“ (Goldmann) und durch Workshops, Seminare und Vorträge in der ganzen Welt. Berendt hielt die vorrangig visuelle Orientierung des Menschen in der modernen Fernsehkultur für einseitig. „Sie trübt und verfälscht unsere Weltwahrnehmung.“ Er wies daraufhin, daß in den großen alten Kulturen der Menschheit das Ohr, nicht das Auge als wichtigster menschlicher Sinn galt.
JOACHIM-ERNST BERENDT verstarb überraschend im Alter von 77 Jahren im Februar 2000.