Skulpturen: Jaume Plensa Laura Ford David Nash Masayuki Koorida
Das Thema Skulptur wird im Festjahr des Christian Daniel Rauch-Museums in den Ausstellungen im Schloss fortgeführt. Zu einem Dialog wurden vier international arrivierte Künstler eingeladen. Als Bildhauer entwickeln sie jeweils eigenständige, singuläre Positionen in verschiedenen Materialien vom Holz, über Metall, Marmor und Granit bis zur textilen Skulptur. Werkimmanent ist ihren Arbeiten eine kritische Hinterfragung unserer Gesellschaft im Hinblick auf Sozialisation und Natur. Sowohl im Außenbereich des Schlosses, in der Graft und im Hof, sowie in historischen Räumen des Westflügels findet die Ausstellung statt.
Laura Ford
Die 1961 im walisischen Cardiff geborene Laura Ford gehört zu den hellsichtigsten und eigenständigsten Künstlerinnen ihrer Generation. Aus den unterschiedlichsten Materialien kreiert sie skulpturale Collagen in Form von Tier- oder verfremdeten Kindergestalten, die häufig wie große Lumpenpuppen erscheinen – auch dann noch, wenn Sie für die Installation im Außenraum in Bronze gegossen wurden. Diese fantasievollen Figuren wirken zunächst verspielt und entwaffnend, erweisen sich jedoch auf den zweiten Blick stets als tiefgründig und kritisch, indem sie in teils sarkastischer Doppeldeutigkeit auf Armut und Obdachlosigkeit, Verletzung, Gewalt oder Krieg anspielen. Sprichwörter, Kinderreime und Märchen spielen thematisch eine große Rolle in ihren Arbeiten, aber auch soziale und gesellschaftliche Beziehungen oder reale Ereignisse. Laura Ford selbst beschreibt ihre Werke als „eine Mischung aus Humor, Melancholie und Dunkelheit“. Ohne Pathos entwickelt sie eine vielschichtige Symbolsprache, die gegenläufige Empfindungen im Betrachter auslöst, ihn überrascht und gerade dadurch berührt.
1961 geboren in Cardiff – lebt und arbeitet in London
Masayuki Koorida
Die Werke des japanischen Künstlers Masayuki Koorida bestechen und verwundern durch ihre schlichte und zugleich ungewöhnliche Formgebung. Sie erinnern an Moleküle oder Amöben – an kleinste Teilchen oder Lebewesen in unendlicher Vergrößerung. Aus schwarzem oder weißem Marmor oder aus Granit gemeißelt und anschließend auf Hochglanz poliert, erwecken die Gebilde mit ihren vollendeten Rundungen den Eindruck, als könnten sie bei Berührung zerfließen oder zerplatzen. Sie wirken fragil und doch stabil in sich ruhend, artifiziell und doch belebt. Durch ihre Formensprache und Farbigkeit bilden sie einen Kontrast zur umgebenden historischen Architektur: Den durch rechte Winkel bestimmten Gebäuden stehen die organisch geschwungenen und gerundeten Formen der Skulpturen gegenüber. In die Graft versenkt, wirken sie als Bindeglied zwischen den Skulpturen „Weißer Riese“ und „Weißer Zwerg“ der Bildhauer Julia Venske und Gregor Spänle vor dem und im Christian Daniel Rauch-Museum.
Im Widerspruch zur Dauerhaftigkeit und Härte des Materials werden diese Steinskulpturen durch ihre Erscheinung als sich im Entstehen befindliche Organismen ausgewiesen. Koorida beschreibt den bildhauerischen Schaffensprozess als Vorgang, in dessen Verlauf sich Gedanken und Eingebungen auf der Suche nach einer allgemeingültigen Sprache zu einer Vorstellung, einem konkreten Bild formen. Dieser „originäre Inhalt einer Skulptur“ erhalte in seinen Plastiken durch die reduzierte gestalterische Umsetzung ein vielschichtiges Erscheinungsbild, das wiederum der Fantasie des Betrachters einen endlosen Spielraum biete.
1960 geboren in Kyoto, Japan – seit 2006 lebt und arbeitet er in Shanghai
David Nash
David Nash gehört zu den wichtigsten Bildhauern der Gegenwart. In seiner Kunst verfolgt Nash aktuelle Tendenzen der jeweiligen Zeit, vieles aber ist inspiriert durch die Schönheit seiner Wahlheimat Wales mit ihren ausgedehnten Wäldern. Für ihn bilden künstlerisches Arbeiten, die Natur und das Leben eine untrennbare Einheit. Er widmet sich vorrangig dem Holz und auch seine Bronze- und Eisengüsse entwickeln sich meist aus Arbeiten in Holz. Er lotet die Sprache seines Materials aus und lässt sie in seine Werke einfließen – die Zerbrechlichkeit zarter Ästchen, die Massivität ganzer Stämme, die Eigenheit, dass Holz arbeitet und reißt, die Stabilität, die es vermitteln kann.
Er verwendet für die Gestaltung seiner Skulpturen sowohl bereits verwendetes Altholz, abgelagerte Holzbretter, frisch geschlagenes Holz, sowie noch junges, im Wachsen begriffenes Holz. 1977 pflanzte Nash in seinem Heimatort 22 Eschen im Kreis an. Er beschnitt und erzog ihre Stämme und Äste so, dass ihre Kronen im Laufe der Jahre zu einer Kuppel zusammenwuchsen. Mit diesem Ash Dome schuf er ein auf Jahrzehnte angelegtes konzeptuelles Kunstwerk.
1945 geboren in Esther, Surrey – seit 1967 Blaenau Ffestiniog, North-Wales
Jaume Plensa
Jaume Plensa gehört zu den herausragenden Protagonisten der jüngeren Bildhauergeneration. Er ist ein Fragensteller. Seine Arbeiten sind skulpturale Ideen. Sie fragen nach grundlegenden Erfahrungen des Lebens, und ihre Präsenz wirkt nach. Für den Künstler ist große Dichtung Skulptur und Wortklang, ist Schriftbild als vibrierende Energie bildhauerisches Material. Sein Ziel ist die poetische Verdichtung und gedankliche Durchdringung des Raumes.
Diese Vorstellungen sind für ihn als Bildhauer schwierig zu bearbeiten, denn sie müssen ins Stoffliche übertragen werden, obgleich sein Anliegen abstrakt ist. Es geht ihm um das Grundsätzliche der Dinge und er macht das Besondere im Allgemeinen sichtbar, in einfachen, aber tiefen Bildern, die sich nicht sofort auflösen.
1955 geboren in Barcelona – lebt und arbeitet in Barcelona und Paris
- Veröffentlicht am Freitag 3. August 2012 von Stadt Arolsen. Museum
- ISBN: 9783930930289
- 72 Seiten
- Genre: Hardcover, Kunst, Softcover