slider

edition fotografie 14

von

slider […] zeigt abstrakt wirkende, malerisch aufgefasste Fotografien, deren inhaltlicher Gegenstand sich nur langsam, im Verlauf des Blätterns, erschließt. Das Umschlagbild ist programmatisch für die im Innenteil gezeigten Fotos. Charakterisiert durch horizontal gegliederte Farbstreifen, die entweder weich ineinander verlaufen oder durch Helldunkelkontraste stärker gegeneinander abgegrenzt sind, belebt sich die Bildfläche durch eine feine senkrechte Flächenstrukturierung und an manchen Stellen durch dynamische Linien, die als Kratzspuren zu verstehen sind. Der Reiz der Bilder besteht im Gegensatz zwischen der weichen atmosphärischen Farbigkeit, die auf einem kühlen Material, das als Bildgrund fungiert, aufscheint. Die Farbe in ihrer Strahlkraft wird als eine Reflektion auf metallenem Untergrund wahrgenommen und festgehalten. Der Betonung der Horizontalen im Querverlauf der farbigen Balken wird stets ein senkrechter Gegenpol gegenübergestellt: In allen Bildern erscheint eine von oben nach unten durchgehende schmale Fläche, die in ihrer Breitenausdehnung und Farbigkeit variiert. Diese bildet sozusagen das bewegende Moment, spielt die Hauptrolle in diesem Stück: Was auf dem ersten Blatt zunächst wie eine reale Teilung des Papiers aussieht, und täuschenderweise zu einem nochmaligen Aufblättern einlädt, sieht im folgenden Bild wie eine plastisch hervortretende Metallstange aus, die nach einer Weile der Betrachtung auch als ein Spalt gelesen werden kann. Im dritten Bild weitet sich dieser Spalt und drängt die Seitenteile auseinander – und vornehmlich durch eine perspektivisch sich verjüngende Gitterstruktur im oberen Bildfeld erschließt sich dem Auge, dass es sich um die Decke eines Raumes hinter automatischen Türen handelt. »slider«, dieser das Gleiten bezeichnende Titel des Buches bezieht sich auf die auseinandergleitenden Metalltüren eines Fahrstuhlraumes. Beim nächsten Umblättern schließen sich die beiden Elemente wieder und nur ein dünner Schlitz innerhalb einer gänzlich unräumlichen, aus quasi lasierend übereinandergelegten Farbbalken komponiert erscheinenden Fläche lässt den Rückschluss auf einen realen Raum dahinter zu. Im folgenden Foto ist die Öffnung wieder etwas größer, wird jedoch weniger als Tiefenraum erlebt. Die Farben der beiden in Wirklichkeit versetzten Ebenen – der beiden Seitenflächen und der Wand des dahinterliegenden Raumes – sind so miteinander verwandt, dass sie in dieser Aufnahme in ein und derselben Bildebene zusammenfallen. Da der Goldton des Mittelstücks auch in den Seitenteilen enthalten ist, und die beiden hellen auf den Türen erscheinenden Querstreifen dort ebenfalls auftauchen, nur ein ganzes Stück tiefer, vermittelt das Bild in diesem Mittelteil den Eindruck des Nach-unten-Rutschens, verstärkt durch eine von oben nach unten verlaufende dunkler werdende Mittellinie. Auf den kommenden Seiten wechseln sich Öffnen und Schließen in unregelmäßiger Folge ab und geben Durchblicke frei. Dabei ist nicht immer klar, ob es sich um einen Blick in den Innenraum des Fahrstuhls handelt oder ob die Perspektive eine umgekehrte ist, aus dem engen Kastenraum hinaus fotografiert. Diese Ambivalenz ist ebenso wohltuend wie das Spannungsverhältnis zwischen den eingefangenen malerischen Qualitäten der Lichtreflexionen und der Gegenständlichkeit ihres Grundes, die mal mehr mal weniger deutlich hervortritt. Die beiden aufspringenden Türblätter finden im Buchformat mit seinen zwei sich im Mittelfalz begegnenden Seiten ihre Entsprechung. Darüber hinaus wird die nur vorgestellte Tatsache, dass das Aufscheinen der Farbe nur von kurzer Dauer ist, bevor ihre Trägerflächen auseinandergerissen werden, durch das eigene Umblättern gewissermaßen aktualisiert. Ein gelungenes Buchkonzept in einer mit dem Thema übereinstimmenden Wahrnehmungsgeste.
Dr. Anette Naumann, Juli 2009