Spanische Poesie

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ANDRÉS SÁNCHEZ ROBAYNA

Die Poesie ist für Andrés Sánchez Robayna ein geistiges Abenteuer. Beginnt er ein Gedicht, so weiß er nie, wie es letztlich enden wird. „Die Sprache“, so sagt er, „weiß mehr als wir“. Seit 1970 publizierte der Professor für Spanische Literatur zahlreiche Gedichtbände, die ins Englische, Französische, Deutsche, Italienische, Portugiesische, Griechische und Arabische übersetzt wurden. 1982 wurde ihm der Premio Nacional de Traducción für seine Übersetzung der Poesía Completa des katalanischen Dichters Salvador Espriu verliehen. Er hat ein umfangreiches Werk an Übersetzungen der französischen, portugiesischen, englischen und katalanischen Literatur erarbeitet, darunter Werke von Wallace Stevens, William Wordsworth, Haroldo de Campos, Joan Brossa und Ramón Xirau. Als Kritiker und Essayist veröffentlichte Sánchez Robayna Studien und Essays zur spanischen Literatur des Siglo de Oro und des 20. Jahrhunderts. Nach der Lehrtätigkeit an verschiedenen Zentren und Universitäten in Europa und Amerika doziert er nun an der Universität La Laguna auf Teneriffa, wo er außerdem Vorstandsmitglied des Instituts für Kanarische Studien, Präsident der Abteilung für Bibliographie und Leiter der Taller de Traducción Literaria (Werkstatt für literarische Übersetzungen) und Herausgeber der gleichnamigen Verlagsreihe ist. Ebenfalls publizierte er die von ihm gegründeten Literaturzeitschriften Literradura in Barcelona (1976) und Syntaxis auf Teneriffa (1983-93).

1984 wurde Andrés Sánchez Robayna mit dem Premio de la Crítica für seinen Gedichtband La Roca ausgezeichnet. In seinen frühen Werken, zu denen der Band Fuego Blanco zählt, malt der kanarische Dichter poetische Insellandschaften in elementarer Schlichtheit aus. Während ihre Sinnlichkeit an die Dichtung der englischen metaphysical poets des 17. Jahrhunderts erinnert, wohingegen sich seine neueren Werke narrativer und nachdenklicher zeigen, richtet sich ihr aller Blick sowohl in die „äußere“, als auch in die „innere Welt“. Dichtung und Transzendenz sind im Werk Sánchez Robaynas untrennbar verbunden. Sein befreundeter Kollege Juan Goytisolo hat es folgendermaßen formuliert: „Andrés Sánchez Robayna weiß, sich in das Magma unserer Ungewissheit zu vertiefen und das Licht des Dunkels hervorzubringen. Was kann man mehr von einem Dichter verlangen?“

Poetry on the Road – Bremen (2006)

Andrés Sánchez Robaynas hochkonzentrierter Minimalismus ist das Ergebnis einer intensiven Arbeit an der Sprache, einer Lust am Text, die die Freilegung der Schnittstellen und verborgenen Faltungen im Inneren der Wörter und Sätze intendiert. Die dichterische Rede ist selbst Gegenstand der Aussage und spannt sich bis an ihre äußerste Grenze, um das Schweigen zu berühren. Die Sprache zieht sich bisweilen wie ein dünner Faden über die Seite oder verdichtet sich zur knappen Selbstinszenierung mit dem Ziel, sich eines eigenen Territoriums zu bemächtigen. Dabei erlangen die entstandenen Wortlandschaften eine hermeneutische Dimension, die kurz erläutert zu werden verdient. Auf den Spuren von Octavio Paz faßt der kanarische Dichter die Sprache als Metapher des Ursprungs und in Anlehnung an Martin Heidegger als Haus des Seins auf; damit gelingt es Robayna, die Sprache als casa del ser aufs Neue zu ontologisieren. In seinen Gedichten nähern sich der Status des Subjekts und des Textes einander in einem Bewußtsein von Insularität – oder Exteriorität – an, in der Isoliertheit und Zugehörigkeit zusammenfließen. Eine solche metaphysische Überhöhung des Territoriums betrifft zuvörderst eine Identität, die auf dem Alteritätsbewußtsein gründet, zugleich aber auch dem kommunikativen Vermögen der Dichtung vertraut. Insofern inszenieren die Zerstreuung und das subtile Arrangement der sprachlichen Zeichen im Gedicht ein exterritoriales Begehren nach Sein, das als weißes Feuer und schwarzes Licht im Text vergegenwärtigt wird: Die Dingwelt steigert sich in dieser Lyrik unversehens zu ungeahnten Bedeutungen, die sich erst im Sog der Lektüre erschließen.

Javier Gómez-Montero
aus: Territorios de la Poesía (2001)

En la obra de Sánchez Robayna la poesía de invención es creación de libertad a través del lenguaje.

Haroldo de Campos