Jahrelang hat die Annahme gegolten, das moderne Drama habe keine Leser. Spectaculum I und II haben diese Annahme widerlegt; die beiden Bände haben ein Aufsehen erregt, das weit über den Kreis der Fachkundigen hinausging; über hunderttausend Bände fanden ihre Käufer. Die Welt, in der wir leben, im Dialog vorzustellen, Texte zu bringen, in denen der Puls unserer und vielleicht einer kommenden Zeit schlägt, und dem modernen Theater als einer Institution zu dienen, in der menschliche Freiheit sich heute wie nirgends sonst unmittelbar ausdrückt – dies war unsere Absicht. Ihr ist begeistert zugestimmt worden: »Die gegenwärtige Lage des deutschsprachigen Theaters ist nicht allzu ermutigend. Wer für das moderne Theater ist, der wird den Wunsch hegen, daß der Suhrkamp Verlag diese dankenswerte Bemühung für das moderne Drama fortsetzt.« Österreichischer Rundfunk. – »In einer Zeit, in der die epische Literatur unseren Büchermarkt mit Romanen überschwemmt, daß die Tatsache der ›Neuerscheinung‹ oft wichtiger geworden ist als die Bedeutung einer Veröffentlichung, wird die Dramensammlung des Suhrkamp Verlages Ereignis. Sie geht den umgekehrten Weg: aus der Flut der Uraufführungen, die oft genug um der Uraufführung willen vonstatten gehen, Wesentliches zu retten. Wir bedürfen der Sicherung dieses Schaffens durch Publikation um so mehr, als wir Klarheit über die Situation unseres Theaters gewinnen müssen, in dem zuweilen die Regieleistung mehr beachtet wird als die Dichtung. Das Spectaculum möge auch mit diesem zweiten Bande nicht abgeschlossen werden.« Darmstädter Tagblatt. Wenn wir uns jetzt entschließen, das Unternehmen Spectaculum zu einer ständigen Einrichtung – wenigstens für die kommenden fünf Jahre – werden zu lassen, geschieht dies aus der Überlegung, daß modernes Theater nicht möglich ist ohne die Kenntnis des modernen Theaters. Das moderne Drama wendet sich an den Zuschauer und an den Leser, bei vielen modernen Stücken wird die vom Autor angestrebte Wirkung sich erst auf der inneren Bühne des Lesers vollziehen. Brecht maß dem Lesen von Dramen große Bedeutung bei; er trat immer wieder für die »Literarisierung« des Theaters ein, für das Durchsetzen des Gestalteten mit Formuliertem, für das durch Lektüre bewirkte komplexe Sehen; Brecht wünschte sich den kritischen Zuschauer, der durch Lesen zum Fachmann geworden ist, denn das Theater soll von Fachleuten besucht sein, »wie man Sporthallen voll von Fachleuten« hat, und die größere Kennerschaft schafft das größere Vergnügen in jenem »Reich des Wohlgefälligen«. Die Resonanz unserer Bände, die, einmal zusammengenommen, eine Art Kompendium des dramatischen Schaffens unserer Zeit ergeben sollen, wird dann auch daran mitwirken, dem poetischen Drama im deutschsprachigen Raum neue Geltung zu verschaffen, und es den Intendanten erleichtern, mehr als bisher solche Stücke aufzuführen. Jeder Band wird Stücke enthalten, die innerhalb dieses Jahreszeitraums aufgeführt oder diskutiert sind, und solche Texte, die vorbereitend neue dramatische Wege weisen. Jeder Band bringt ein Stück von Bertolt Brecht, um die überragende Position dieses bedeutendsten Dramatikers unserer Zeit hervorzuheben. Vorgesehen sind weitere Stücke von Beckett, Eliot, Frisch, Ionesco, Jahnn, Majakowski, Pirandello, Sartre, Wilder, Shaw sowie Stücke anderer dramatischer Autoren, sofern sie dieser Umgebung standhalten. Um an gültigen Beispielen Orientierung zu geben, werden wir uns der strengsten Maßstäbe bei der Auswahl und Komposition der einzelnen Bände bedienen. Es geht uns ausschließlich um literarisch relevante Texte. Wir hoffen, damit den Künsten, denen Spectaculum gewidmet ist, kundigere und kritischere Zuschauer zuzuführen, die Praxis der Spielpläne zu befruchten und dem schönen Augenblick der Aufführung Dauer zu verleihen, damit all diese Künste, Drama, Film, Oper und Ballett, nach dem Wort Brechts beitragen »zur größten aller Künste, zur Lebenskunst«.
- Veröffentlicht am Montag 17. Mai 2004 von Suhrkamp
- ISBN: 9783518416181
- 272 Seiten
- Genre: Belletristik, Dramatik