Standard: Personalisierung

Wie Individualität zum Massenprodukt wird

von

„Jedem nach seinen Bedürfnissen!“ lautete parolenhaft-verkürzt die marxistische Verheißung für das Ende der Geschichte im Kommunismus. Nun scheint es, dass der Kapitalismus nicht so lange warten will: „Personalisierung“ und „Customer Related Marketing“ heißen die Zauberworte, die Betriebswirtschaftlerherzen derzeit höher schlagen lassen; gemeint ist das optimale Anpassen eines Dienstes, eines Computerprogramms oder eines Informationsprodukts an die persönlichen Vorlieben des Kunden. Bekanntestes Beispiel derzeit ist die Empfehlungsfunktion bei Online-Shops: „Kunden die xy gekauft haben, haben auch z gekauft.“ Aber auch limitierte Auflagen oder frei wählbare Sondervarianten, etwa bei Automobilen, werden immer beliebter. Das erleichtert gleichermaßen Absatz wie auch die zielgruppenadäquate Ansprache des Kunden. Und klingt die Vorstellung einer Produktion von Waren ganz nach individuellen Bedürfnissen nicht auch aus Kundensicht verheißungsvoll?

In seinem durchaus auch als Hommage an klassisch-kritische Theoriebildungen zu lesenden Buch demonstriert Marco Tannert schlüssig, dass sich der Hype um die Personalisierung recht schnell als Mythos im Sinne Roland Barthes’ entlarven lässt. Denn wie soll das vorausgesetzte Bedürfnis nach individueller Besonderheit je durch Konsum von Massenware gestillt werden? Und was geschieht, wenn über immer vollständigere Datenprofile des zunehmend „gläsernen Kunden“ bald weite Teile der gesamten Produktion von Gütern und Dienstleistungen tatsächlich „on demand“ ausgerichtet sein werden – zweifellos nicht nur Gutes. Zugleich zeigt der Autor Alternativen auf, wie eine ernst genommene Personalisierung tatsächlich im Dienst des Kunden konzipiert werden könnte.