Steine und Bausteine 2

von

„Ein Haufen aufs Geratewohl hingeschütteter Dinge ist die schönste Ordnung“ – dieses Fragment ist uns von Heraklit, dem vorsokratischen Philosophen, erhalten. Peter Hodinas ‚Steine und Bausteine’ sind Ausdruck einer organisatorischen Kapitulation. Seine Notizbücher sind ihm über den Kopf gewachsen; sie zu ordnen ist nur mehr möglich durch ein Spiel mit dem Zufall. Ein solches Spiel – es hätte sich auch anders konfigurieren können – findet Niederschlag in den drei Bänden. Wo immer man möchte, sollte man die Bände aufschlagen können – und sich festlesen.
‚Steine und Bausteine’ – ein provisorischer Titel für ein Provisorium, Sammelsurium, Vademekum. Ein ‚Sudelbuch’ der Gegenwart. Aphorismen, Traumprotokolle, Lesefrüchte, gleichnishafte Erzählprosa, manchmal ein Gedicht. Griffe ins Volle, ins Leere, ins Dazwischen. Je nachdem. Es kommt auch auf den Lesenden an.
Lesen als Lebensform – diese Programmatik liegt den ‚Steinen und Bausteinen’ zugrunde. Entlang dem Lesen leben. Entlang dem Leben lesen. Lebens-Lese. ‚Steine’ – können sein: bunte Steine, Edelsteine, Stolpersteine, Geröll; ‚Bausteine’ weisen auf Weiteres: Konstruktion, System vielleicht ist intendiert. Statt des Babylonischen Turms werden wir vom Autor auf eine Babylonische Baustelle geleitet. Material zuhauf. Pläne werden entrollt – sie rollen sich zurück. Ein beständiger Kampf mit der Schwerkraft der Verhältnisse.

Peter Hodina hat einen potenziellen, utopischen Leser vor Augen: „Es wird einmal Menschen geben, die tausend Jahre alt werden. Die Medizin wird einmal einen tausendjährigen Menschen zustande bringen. Ob das wünschenswert ist, weiß ich nicht. Womit soll sich der tausendjährige Mensch dann die Zeit vertreiben? Für einen Leser, der tausend Jahre Zeit hat, sind Paul Valérys ‚Cahiers’ mit dem stattlichen Umfang von 35.000 Seiten gerade gut genug, sobald er Marcel Prousts ‚À la recherche du temps perdu’ auswendig gelernt hat. Und Henri Frédéric Amiels Tagebuch, das von der Leidenschaft der Selbstbeobachtung durchdrungen ist. Aus purer Langeweile, nur zum Zeitvertreib wird spätestens ein tausendjähriger Mensch einmal auch meine ‚Steine und Bausteine’ herausgraben – da bin ich zuversichtlich –, und sich die unendliche gottgleiche Ödnis seiner Jahrhunderte zur Abwechslung auch mit diesem Blechspielzeug vertreiben wollen. Er wird mich bald beiseite werfen. Nur wird ‚bald’ bei einem Zeitvolumen von tausend Jahren etwas ganz anderes heißen als heutzutage. Vielleicht liest mich einer von den tausendjährigen Menschen dann ein ganzes Jahr lang…“