Tachenius Erzählt, Teil 2

Chemistokles

von

Otto Tachenius, Sohn eines Müllers zu Herford, erlernt als Famulus
namhafter Apotheker und Mediziner die Kunst der Pharmazie und
Medizin. Als ihm einer seiner Brotherren zu Lemgo wegen gravierender
Meinungsverschiedenheiten die Tür weist, scheint die eben
erst begonnene Karriere bereits ihr unrühmliches Ende gefunden zu
haben. In wenig aussichtsreicher Lage versucht er sein Glück und
begibt sich auf eine eher unfreiwillige Odyssee quer durch Europa,
promoviert zum Doktor der Medizin an der Spitzenuniversität Padua,
gründet zu Venedig eine Praxis und betreibt ein Labor für experimentelle
Chemie. Sein schwungvoller Handel mit selbstkreierten Präparaten,
seine polemischen Publikationen und seine Leistungen als
forschender Chemiker, insbesondere seine Säure-Base-Theorie, machen
ihn in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts binnen kurzem berühmt
und berüchtigt. Seine Bekanntheit verhilft ihm zu lukrativen
Tätigkeiten als Berater vermögender Familien und Fürstenhäuser.
In besonderer Weise wird er von den Herzögen zu Braunschweig
und Lüneburg gefördert, er begleitet sie auf ihren Reisen durch Italien
und bereist bis zu seinem Lebensende von Venedig aus zahlreiche
Residenzen in Niederdeutschland: ein unermüdlicher Euro-Polit, der
die ihm verbleibenden Gegebenheiten zu unverhofften Abenteuern
zu nutzen weiß, ein unermüdlicher Sucher, der am Ende eine vollkommen
unvermutete Lösung findet.