Tagtexte

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Nach ihrem erfolgreichen Roman ‚Sechs mal zehn’ (ISBN: 978-3-86685-025-5) legt die Autorin mit ihren Tagtexten ein neues Manuskript mit literarischen Kurztexten vor, die in der Originalität der formalen Gestaltung und in ihrer inhaltlichen Aussagekraft als eine
literarische Besonderheit gewertet werden müssen.

Insgesamt teilt sich das Manuskript in drei Kapitel, jeweils Texte eines spezifischen Zeitabschnitts, in dem die Autorin täglich einen literarischen Blick auf eine ihr an diesem Tag wesentliche Problemstellung verfasste.

Es fällt schwer, die Texte einem literarischen Genre zuzuordnen. Für die Zuordnung zum Bereich Tagebuch ist die literarische Verdichtung zu hoch, die Einordnung in die Kurzprosa scheint nicht möglich, da den meisten Beiträgen keine Handlungsorientierung zugrunde liegt. Der lyrischen Zuordnung entzieht es sich, da die Verdichtung und Bildlichkeit bewusst niedrig gehalten, regelmäßige formale lyrische
Elemente nicht gewählt wurden.
Somit bleiben die Tagtexte als eigene Kreation einer Kurzprosa, vielleicht einer lyrischen Kurzprosa, die man als literarischen Kalender umreißen könnte, die es in den Anfängen der Entwicklung einer bürgerlichen Literatur gab (Hebbel, Fontane, Heine etc.).

Fast allen Texten liegt die Auseinandersetzung mit einem zentralen Gedankenmoment zugrunde. Die sprachliche Harmonie, der hohe Sprachfluss der Beiträge bindet dabei die zumeist kritisch hinterfragende Ebene des Gedankens ein. Die Bereitschaft der Annahme einer solchen harmonisierenden kritischen Hinterfragung von Sachverhalten ist beim Leser hoch, da die Kritik und kritische Reflexion aufgrund der sprachlichen Bindung niemals in irgendeine Form der Ironie oder Polemik abrutschen kann. Die Kürze der Beiträge verdichtet das reflektierte Problem auf seine Wesentlichkeit – was die Nähe zur Lyrik bewirkt.
Das Sprachniveau ist dabei so gehalten, dass bewusst eine schlichte Wortwahl vorgelegt wurde, die Bildlichkeiten und dargestellten Inhalte dem direkten Alltag entnommen werden. Die Anbindung des Lesers ist somit – anders als in einer stärker verdichtenden Lyrik – unproblematisch. Der Inhalt ist leicht erfassbar und von einer solch bestechenden Einsichtigkeit, dass er einen nicht wieder loslässt, zumal
die Autorin Problemstellungen aufdeckt, jedoch keine Antworten gibt.

Handgehäkelte Pension

Wer kann das mögen?
Die Spitzendeckchen –
die Trockenblumen – all überall –
bunte Gartenzwerge groß und klein!
Solche Gemütlichkeit
nimmt mir die Luft.
Ich will atmen.
Aber hier steht die Häkelfrau.
Erzählt von Krebs,
Tochtergeschwüren und Enkelsorgen.