Texte der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Geschichte - Modelle - Debatten

Aus der Einleitung:

„Die Idee des Grundeinkommens hat eine lange Geschichte hinter sich gebracht und eine spannende Geschichte vor sich. In Deutschland, in Europa und im globalen Kontext nimmt die Debatte um das Grundeinkommen an Fahrt auf – auch vorangetrieben von Linken. Das Handbuch Grundeinkommen nähert sich auf unterschiedliche Art und Weise dem Thema Grundeinkommen – auf einer eher prinzipiellen und grundsätzlichen Ebene und auf einer eher konkrete Ansätze und Modelle diskutierenden Ebene.
Im ersten Teil des Buches stellt Ronald Blaschke die vielgesichtige Geschichte der Idee des Grundeinkommens anhand ausgewählter ProtagonistInnen und deren Grundeinkommensansätze dar. Dadurch werden unterschiedliche politische Traditionslinien erkennbar. In der Einleitung werden grundsätzliche Begriffsklärungen vorgenommen sowie die Grundeinkommensidee einer bestimmten Konzeption vom Sozialstaat zugeordnet. Im ersten und zweiten Kapitel werden die naturrechtlichen Begründungen für das Grundeinkommen anhand der konkreten Ansätze von Thomas Paine und Thomas Spence (beide 18. Jahrhundert) dargestellt. Dazu wird in Deutschland bisher weitgehend unbekannte Literatur verwendet.
Die Gegenüberstellung der beiden Ansätze wird genutzt, um im dritten Kapitel aktuelle Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Grundeinkommen zu diskutieren: Welche Argumente wurden damals und werden heute gegen Bedürftigkeitsprüfungen vorgebracht? Wie bezieht sich das Grundeinkommen auf die Eigentums- und Wertschöpfungsfrage? Welches Verhältnis haben Grundeinkommen und öffentliche Infrastrukturen, Grundeinkommen und Demokratie? Im vierten Kapitel werden jüngere sozialliberale, grundeinkommensähnliche Ansätze, die sich auf Thomas Paine berufen, und der Ansatz von Silvio Gesell vorgestellt.
Im fünften Kapitel werden die Vorstellungen der Sozialisten Charles Fourier und seines Schülers, Victor Considérant (beide 19. Jahrhundert) von einer harmonischen Gesellschaft dargestellt. Deren Grundbedingung ist das verwirklichte Recht auf eine anziehende Arbeit und auf ein Grundeinkommen. Der Zusammenhang beider politischer Forderungen wird vor dem Hintergrund der Marxschen Analyse der entfremdeten Arbeit auf seinen emanzipatorischen Gehalt geprüft. Ein besonderer Abschnitt bezieht sich auf den menschenrechtlichen Zusammenhang von dem Recht auf Arbeit, dem Verbot von Zwangsarbeit und dem Grundeinkommen. Im sechsten Kapitel werden die (arbeits-)marktpolitisch orientierten Grundeinkommensansätze von Juliet Rhys-Williams, Milton Friedman und Georg Vobruba (20. Jahrhundert) skizziert. Es werden die verschiedenen gesellschaftspolitischen Absichten und Zielstellungen, die mit diesen Ansätzen verbunden sind, aufgezeigt.
Im siebten und letzten Kapitel wird die Begründung des Grundeinkommens durch den demokratischen Sozialisten und Humanisten Erich Fromm vorgestellt. Verwiesen wird auf die von Fromm vorgenommene Einbettung des Grundeinkommens in den Kontext einer grundlegenden Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft. Im zweiten Teil des Buches wird in einem Essay von Katja Kipping dargelegt, dass es sich beim Grundeinkommen um ein Bürgerrecht handelt, das allen zu gewähren ist. Damit entfällt die Abhängigkeit von der Gnade anderer und die Erniedrigung, um Hilfe bitten zu müssen. Wer sich politisch einbringen will, muss sich die Fahrt zur Demo oder die Tageszeitung leisten können. Schon deswegen setzt politische Partizipation ein Mindestmaß an materieller Absicherung. z. B. durch ein Grundeinkommen, voraus. Im dritten Teil des Buches werden von Ronald Blaschke aktuelle Vorschläge von PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen, Verbänden, Initiativen und Einzelpersonen in Deutschland vergleichend dargestellt, die in Richtung des Ausbaus steuerfinanzierter Sozialtransfers zielen. Es handelt sich dabei um grundlegend verschiedene Modelle: Grund- und Mindestsicherung, Bürgergeld, Negative Einkommensteuer, partielle und bedingungsloses Grundeinkommen. Ein gesondertes Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie sich der Bestimmung einer Transferhöhe genähert werden kann, die die Existenz sichern und Teilhabe ermöglichen soll.
Im vierten Teil des Buches werden linke Ansprüche an ein Grundeinkommen diskutiert und entwickelt. Im Rahmen eines ersten Treffens emanzipatorischer linker GrundeinkommensbefürworterInnen in Europa wurden dazu bereits präzisierende Kriterien erarbeitet. Diese unterstreichen, dass ein Grundeinkommen aus emanzipatorischer Sicht nie als singuläres sozialpolitisches Projekt gedacht sein kann, sondern in ein transformatorisches Gesamtprojekt eingebettet ist. Adeline Otto fasst in einer Einleitung verschiedene Zugänge der Grundeinkommensdebatte in Europa aus einer linken Perspektive zusammen. Von ihr wurden mehrere AutorInnen aus Europa für eigene Beiträge zum Thema gewonnen und einige dieser Beiträge auch ins Deutsche übertragen. Die Beiträge stammen von José Iglesias Fernández (Spanien), von Ruurik Holm (Finnland), von Melina Klaus (Österreich) und von Sepp Kusstatscher (Italien). Wir wünschen uns, dass das vorliegende Handbuch Grundeinkommen die Debatte um das Grundeinkommen bei linken AkteurInnen und in der gesamten Öffentlichkeit bereichert und voranbringt.“