Texte der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Nahostdiskurse in Großbritannien und Deutschland

von

Inhalt:

Vorwort
Einleitung
Thema und Aufbau der Arbeit
Literaturlage/Forschungsstand

TEIL A: THEORIE UND HINTERGRÜNDE

I Politische Bewegungen, Diskurs und Kultur

1 Diskursforschung, Diskurstheorie und Deutungsmusteranalyse
2 Politische Kulturforschung – Tiefenbedingungen des Diskurses
3 Von politischen zu kulturellen und diskursiven Gelegenheitsstrukturen
4 Diskursive Gelegenheitsstrukturen – eine Synthese
5 Die Linke und der Nahostkonflikt – einige umstrittene Grundbegrifflichkeiten

II Nationale diskursive Gelegenheitsstrukturen

1 Das Vergleichsdesign
2 Deutschland und Großbritannien im Kulturvergleich
3 Deutschland, Israel, Palästina
4 Großbritannien, das Empire und der Nahostkonflikt

III Die diskursive Gelegenheitsstruktur »links«

1 Wer und was ist »links«?
2 Jüdinnen und Juden, Zionismus und der israelisch-palästinensische Konflikt in der Geschichte der Linken

TEIL B: FALLSTUDIEN

IV Methoden

1 Handlungen, Wissen und Diskurs
2 Datenerhebung
3 Auswertungsverfahren
4 Stichprobenbeschreibung
5 Methodenkritik

V Die deutsche Linke

1 Wer ist die deutsche Linke?
2 Anschlussdiskurse: Aktuelle Themen
3 Der Haupt-Anschlussdiskurs: Deutschland und die (Anti-)Deutschen
4 Fazit

VI Die deutsche Linke und der Nahostkonflikt

1 Die Geschichte eines schwierigen Verhältnisses
2 Der aktuelle Nahost- und Antisemitismusstreit
3 Die Akteure der Nahostdiskussion
4 Der Stil der Nahost-Antisemitismus-Diskussion
5 Bilder des Konflikts
6 Diskursverflechtungen: Deutschland
7 Die Diffusion der Auseinandersetzung
8 Deutungsmuster im linken Nahostdiskurs
9 Fazit: Lernprozesse?

VII Die britische Linke

1 Wer ist die britische Linke?
2 Anschlussdiskurse I: Aktuelle Themen und Debatten
3 Anschlussdiskurse II: Kultureller Background
4 Fazit

VIII Die britische Linke und der Nahostkonflikt

1 Die britische Linke und der Nahostkonflikt: Geschichte
2 Streit im Konsens über ein wichtiges Thema
3 Antizionismus und Palästinasolidarität
4 Heterodoxe: Solidarität auch mit Israel?
5 Diskursverflechtungen
6 Framing
7 Fazit

TEIL C: VERGLEICH

IX Die linken Nahostdiskurse in Großbritannien und der Bundesrepublik im Vergleich

1 Überblick
2 Ein Detailvergleich: Antiimperialistischer Antizionismus
3 Bewegungsdiskurs und diskursive Gelegenheitsstrukturen

X Linke Identität und Universalismus: Ein Fazit

Literatur
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Diese Arbeit entstand zwischen 2003 und 2007 als Dissertation; abgefasst wurde sie im Wesentlichen 2006/2007. Inzwischen hat sich in der Linken wie auch in der Nahost- und Antisemitismusdebatte manches getan. So kommt es, dass im Text noch häufig von der PDS oder der Linkspartei.PDS die Rede ist, auch wenn sie sich mittlerweile als eine der Reaktionen auf die neoliberale Politik des Sozialabbaus mit der WASG vereinigt hat und nun erstarkt als DIE LINKE. in den Bundestag und viele Länderparlamente eingezogen ist. Die Euphorie der Gründungszeit ist jedoch recht schnell dem politischen Alltag gewichen. Wie zuvor die Antikriegsbewegung sind auch die Sozialproteste abgeflaut oder haben sich in den lokalen Bereich verlagert. Dies eröffnete aber Raum für andere Themen. Hohe Wellen schlug in der LINKEN und ihrem Umfeld auch die Diskussion um Israel. Eine Rede Gregor Gysis1 zum 60. Jahrestag von Israels Staatsgründung, in der er mit dem Antizionismus und Antiimperialismus abrechnete, weil diese einen ideologischen Traditionsbestand darstellten, dessen ehemals gültige politökonomische Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien, spaltete die Mitgliedschaft und fand ein weites Medienecho wie auch zuvor eine u. a. in der UTOPIE kreativ, dem ND und der jungen Welt geführte Debatte über Antisemitismus in der DDR, die sich vor allem an der Ausstellung »Das hat es bei uns nicht gegeben« entzündete. 2 Die israelbezogenen Aktivitäten sowie die gelegentlich schnell und kurz auflodernden Streitigkeiten in der parteifernen radikalen Linken haben stattdessen einen Status der Alltäglichkeit erreicht, in dem wirklich aufsehenerregende neue Ereignisse ausblieben. In immer breiteren Teilen scheint sich eine neue Normalität des Anti-Antizionismus zu verbreiten, während man sich wieder ganz anderen Themen zuwendet.
Dem Konsolidierungsprozess der deutschen Linken entsprechen eine Destabilisierung und Zerfaserung in Großbritannien. Die Labour-Linke hat die Chance verpasst, bei den Wahlen zur Nachfolge Tony Blairs für einen Richtungswechsel zu sorgen. Uneinigkeit zwischen dem gemäßigt linken Michael Meacher und dem linken John McDonnell sowie die allgemeine Schwäche der Parteilinken halfen Gordon Brown bei der Übernahme der Macht und der Beibehaltung der neoliberalen Inhalte. Und außerhalb Labours ist die Lage nicht weniger desaströs. In der Scottish Socialist Party haben sich doch wieder die sektiererischen Tendenzen durchgesetzt. Die Partei ist hochgradig zerstritten, viele der sie konstituierenden Strömungen und Plattformen haben ihre Mitarbeit aufgekündigt; das Idol Tommy Sheridan und die Parteiführung stritten sich gar vor Gericht. Folglich schaffte die SSP bei den Wahlen im Mai 2007 nicht den Wiedereinzug ins Parlament. Das letzte große Ereignis war dann der Bruch in Respect. George Galloway und mit ihm große Teile der muslimischen Mitglieder zogen sich aus dem Respect-Bündnis mit der SWP zurück, um Respect Renewal zu gründen. Dass die SWP dies sogar als Gewinn umzumünzen versuchte, weil damit die traditionellen Muslime die Partei verlassen hätten, verdeutlicht nur noch einmal ihren Opportunismus. Die Geschwindigkeiten ihrer Positionswechsel sind angesichts der Strategie der Umgarnung der Muslime als Muslime, wie sie noch bis Mitte des Jahres 2007 propagiert wurde, beeindruckend. Hoffnung für die Verstärkung der gesellschaftlichen Relevanz linker Inhalte gegen die neoliberale Hegemonie macht keine dieser Entwicklungen. Die Nahostdebatte flammte vor allem in den Gewerkschaften auf; wie schon seit mehreren Jahren gab es hauptsächlich in der Universitätslehrergewerkschaft wieder Versuche, eine antizionistische Positionierung zu erreichen (zuletzt durch die Feststellung, dass die meisten israelischen AkademikerInnen mitschuldig an der katastrophalen Lage in Gaza seien und durch die Aufforderung an die Mitglieder, Kontakte zu israelischen KollegInnen »zu überdenken«3) und heftigen Widerstand, vor allem durch die Gruppe Engage.
Diese Entwicklungen beeinflussen nur am Rande die Argumentation dieses Buches, denn bei aller Schilderung von aktuellen Entwicklungen der vergangenen Jahre hat es doch die tieferen und stabileren Bedingungen im Blick, die für die Spezifik der so unterschiedlichen deutschen und britischen linken Nahostdiskurse ursächlich sind.

*
Viele Personen haben direkt oder indirekt zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Großen Dank schulde ich zunächst meinen InterviewpartnerInnen. Die Gespräche mit ihnen sind nicht nur die Grundlage der vorliegenden Arbeit, sondern waren auch für mich persönlich sehr lehrreich. Besonders danke ich denen, die mir durch ihre Offenheit und den entspannten und unechauffierten Umgang mit den heiklen hier behandelten Themen Mut machten, dass eine solidarische Diskussionskultur auch beim Thema Palästina und Israel möglich ist.
Viele Personen standen mir zudem mit Rat und Tat zur Seite, korrigierten sprachliche Fehler, diskutierten inhaltliche Aspekte der Arbeit oder gaben mir Unterkunft bei Forschungsreisen in Großbritannien. Insbesondere danke ich (in zufälliger Reihenfolge): Susanne Kuhnt, Andreas Wulf, Alexander Behrens, Thomas Kachel, Andreas March, Daniel Bartel, Jan Zofka, David Spreen, Tina Becker, Donnie Nicholson, Benjamin Schweßinger, Susanne Gräbner, Rebecca Gibbs, Simon Teune, Irina Vogt, Thomas Jez, Mike-Steffen Schäfer, Ulrich Schuster, Stefan Müller, Siri Pahnke, Andreas Müller (Leipzig), Andreas Müller München), Michael Arzt, Sebastian Berg, Ekkehard Petzold, Petra Knorr, Anja Thümmler, Kyle Tebbutt, Janne Mende, Paula Roush, Judith Keszte, Tanja Schnurpfeil sowie den PraktikantInnen Gabriele Ziese, Carolin Blau, Benno Dopjans, Kristin Materna und Nadine Schulz. Eine kontinuierliche Begleitung waren die Methodenworkshops der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter Leitung des auch sonst immer hilfsbereiten Dr. Frank Kleemann. Ohnehin wäre die Arbeit ohne das Stipendium und das umfangreiche Förderprogramm der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht möglich gewesen. Dank geht auch an den Promotionsstudiengang »Transnationalisierung und Regionalisierung« am Zentrum für Höhere Studien der Universität Leipzig, wo die Arbeit geschrieben wurde. Dessen Administrator Oliver Storch verdanke ich neben Hilfe in technischen Dingen vor allem die Idee, auf Freie Software umzusteigen. Die Arbeit wurde mit OpenOffice.org 2.0 geschrieben – und das ohne viele der Probleme der kommerziellen Konkurrenz. Nicht zuletzt geht Dank an meinen Betreuer Prof. Dr. Jürgen Gerhards von der FU Berlin, der mit kritischer Distanz den Fortgang der Arbeit begleitet hat. Ebenso danke ich dem Zweitgutachter Dieter Rucht, dessen wissenschaftliche Arbeit die meisten deutschen Bewegungs- und ProtestforscherInnen begleitet. Selbstverständlich trage ich allein die Verantwortung für den gesamten Text.
Leipzig, im August 2008

1 http://www.hagalil.com/archiv/2008/04/gysi.htm [3.6.08].
2 Dokumentation der Debatte von Horst Helas: http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=13820 [3.6.08].
3 »Congress notes the … apparent complicity of most of the Israeli academy« and »Congress resolves that … colleagues be asked to consider the moral and political implications of educational links with Israeli institutions«,
http://www.stoptheboycott.org/about-the-boycott/ucu-motions [5. 6. 2008].