Thomas Harlan zu ‚Ich selbst und kein Engel‘: ‚Ich hatte bis dahin immer davon ausgehen wollen, daß Schreiben nichts anderes ist als Schreiben, daß es keine andere Aufgabe hat, daß es frei ist, zu nichts verpflichtet, und jetzt, plötzlich, schien es mir, daß der Gedanke falsch war, daß Schreiben sehr wohl eine Aufgabe hatte, daß es eine gesellschaftliche Aufgabe hatte, daß es dazu zu dienen hatte, daß du deinen Platz in der Gesellschaft bestimmst, deinen Platz in deiner Klasse, und so drehte sich plötzlich der jüdische Widerstand gegen das britische Protektorat in Palästina in die Reihe des antiimperialistischen Widerstands ein und trug die Züge eines Befreiungskampfes mit einem Antlitz, das sich auf den verzweifelten, weil mit Sicherheit schon längst verlorenen Befreiungskampf des jüdischen Volkes im zweiten Weltkrieg übertragen ließ, auf das Aufbegehren der zum Tode Verurteilten im Aufstand des Warschauer Ghettos 1943, und so war ‚Bluma‘ ein erster Versuch, die Gestalt einer Frau als Inkarnation des Widerstands nachzuzeichnen und in ‚Ich selbst und kein Engel‘ in einer Chronik des Warschauer Ghettos die Geburt des antifaschistischen Widerstands der HaShomer HaZair.‘
‚Der Titel ist ein Zitat aus der Haggada, einer Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Gott spricht: ›Ich selbst und kein Engel führe Euch aus Ägypten durch das Rote Meer.‹‘
‚Die Theaterproben hören auf, es folgen die Vorstellungen, es beginnt die Verteidigung. Vielleicht sogar der Angriff. Kurz: Anfang 1959 explodieren die ersten Stinkbomben im Theater, es kommt zu Demonstrationen Berliner Studenten, zur Festnahme der Nazigruppe Jungbluth, die für dieses Attentat verantwortlich war, und es kommt zur Verschärfung der Widersprüche in einem Theater, das in der von der John-Foster-Dulles-Stiftung vermieteten Kongreßhalle spielt, in dem aber die Hälfte des Personals aus der DDR stammt. Manfred Krug und Armin Müller-Stahl und andere. Glückwunsch von Walter Ulbricht, als das Brechtsche Theater, das Berliner Ensemble, unser West-Theater einlädt, Übertragung von Ich selbst und kein Engel im DDR-Fernsehen, Veröffentlichung des Stücks im Henschel-Verlag in Ostberlin. Und danach war Schluß.‘
‚Bluma‘ und ‚Lux‘ werden erstmals veröffentlicht.
Thomas Harlan, Filmemacher und Autor, wurde 1929 in Berlin geboren.
- Veröffentlicht am Donnerstag 28. November 2024 von belleville
- ISBN: 9783936298758
- 212 Seiten
- Genre: Belletristik, Dramatik