Theatertexte

Ein Lustspiel von fünf Aufzügen

von

Gottlieb Stephanie der Jüngere (1741–1800) ist heute einer von vielen vergessenen josephinischen Dramatikern, dessen Stücke im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts nicht nur in Wien Erfolge verbuchen konnten. Im Rahmen der aufklärerischen Theaterreformen und der Bemühungen um ein deutsches ›Nationaltheater‹ avanciert er zu einer wichtigen Persönlichkeit des frühen Burgtheaters, für das er als Schauspieler, Dramatiker und Dramaturg tätig ist. Mit seinem Lustspiel Die abgedankten Officiers liefert er einen Beitrag zum deutschsprachigen Repertoire der Wiener Theater, der sich stofflich an Lessings Minna von Barnhelm orientiert, von seiner Vorlage allerdings deutlich divergiert. Im Kontext der zeitgenössischen Wiener Theaterdebatte und des josephinischen Reformabsolutismus erscheint Stephanies Stück als regelrechter Gegenentwurf zu Lessings Lustspiel; als ›wienerische Minna‹, in der es sein Autor als kundiger Theaterpraktiker versteht, den lokalen Produktionsbedingungen zu entsprechen. Durch die Interpolation des Theaterjuden Pinkus gelingt ihm zudem ein frühes aufklärerisches Toleranzstück gegen den Antisemitismus. »Aller Kritiken, die ihn verfolgen, ungeachtet, werden seine Stücke doch auf allen deutschen Bühnen, und auch auf jenen aufgeführt, wo man am stärksten über ihn schreyt. […] Wenn er sich mehr Zeit liesse zu feilen und zu schleifen, er könnte unter die beßten jetztlebenden Theaterdichter gesezt werden«, so Johann Kaspar Riesbeck über Stephanie den Jüngeren.