Todes Stunde

Eine poetische Vision

von

Nach zwei klassischen Lyrikbänden (im Wehrhahn-Verlag »Findelkinder« 2017 sowie »Und meine Flügel schweben ohne mich davon« 2018) vereinigt das neue Buch »Todes Stunde« von Abram Maenner Gedichte der letzen drei Jahre in einem fortlaufenden Text zu einer Rückblende aus Erlebnissen, Beobachtungen und Ängsten, voller Bezüge zu Politik, Kultur und Religion: eine poetische Todesvision am Ende des Lebens.
Der sterbende Lyriker und Bildhauer liegt inmitten seiner Skulpturen und wird vom eigenen »anderen Ich« durch das gläserne Dach beobachtet. Die beiden Ich-Formen sprechen aus verschiedener Sicht über ihre Lage, ohne miteinander zu reden. Dabei spricht der Sterbende mit seinen Gedichten in gebundener Sprache, der Beobachter benutzt alltägliche Prosa. Beide Stimmen sind im Schriftsatz voneinander abgesetzt.
Dieser Text ist ein Versuch oder gar Experiment. Er mißachtet den individuellen Anspruch des einzelnen Gedichts, ein autonomes Kunstwerk zu sein, unabhängig und ohne Bezug auf irgendein anderes, thematisch, formal, mit eigenem Anfang und Ende. Im Gegensatz dazu wird hier jedes Gedicht überganglos in eine Reihe gesetzt mit ebenso entrechteten anderen, als Funktionsteil eines neuen, größeren Ganzen.
Dem Autor drängte sich diese Idee bei der Lektüre der eigenen Werke geradezu auf. Vielleicht war das eine Nachwirkung seiner früheren Tätigkeit als Dramaturg und Regisseur am Theater, sowie später als Kulturfilmer. Er macht aus lyrischen Momentaufnahmen fast eine szenische Handlung mit Ablauf und Entwicklung. Und diese Abläufe vollführen Sprünge, folgen Assoziationen wie in der Bildmontage des Filmschnitts, quer durch die Zeiten, Ereignisse und Gefühle.