tradukita poezio

von

Zwei Familien – eine bosnisch und eine serbisch, beide gezeichnet von den Folgen des Krieges und der Kriegsverbrechen – bilden die disparaten, sich gegenseitig spiegelnden Zentren von Dragana Mladenovićs Gedichtband Verwandtschaft.
Da ist einerseits eine serbische Familie, deren moralisches System tief erschüttert wurde. Die eigene Schuld verbergend, erkranken ihre Mitglieder an Selbstverleugnung: Der Vater negiert seine Vaterschaft, der Großvater verkleidet sich als Großmutter, der Onkel lebt im Kellerbunker, seinem ‚kuscheligen Junggesellencontainer‘, während die Mutter starr an der Rhetorik kleinbürgerlicher Anständigkeit festhält. Die Übeltäter bleiben an der Macht, vertuschen die Wahrheit und verhindern die Festnahme der Kriegsverbrecher.
Für die andere Familie, bosnische Exilanten in Amsterdam, stellt sich hingegen die Frage nach der eigenen Zukunft: Wie soll man das Leben nach dem erlebten Morden und Vergewaltigen weiterführen? Ist es der jüngeren Generation möglich, die quälende Last des Verbrechens abzuwerfen, das die nähere Verwandtschaft dezimiert hat?
Dieses Buch ist eine eindringliche Studie über das Verlorensein, das Vertuschen und den Schmerz einer Gesellschaft nach dem Krieg und zugleich ein poetischer Appell, durch das Beharren auf eigener Ansicht und Verantwortung kollektive Muster zu zerstören. Mit klarer, leichter Sprache entwickelt Dragana Mladenović ein novellenhaftes Beziehungsgeflecht zwischen den Charakteren. Das allegorisch-satirische Spiel des aus dem Ruder laufenden familiären und politischen Gefüges und das Mitfühlen mit den Opfern dieser ungehemmten Kräfte machen den Gedichtband zu einem Schlüsselwerk der serbischen Gegenwartsliteratur.