Transumanza

An Italian Pastoral

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Transumanza, die Wanderweidewirtschaft, ist in der Lombardei eine alte Tradition. 60 Hirten sind noch heute mit ihren Schafherden unterwegs. Begleitet von Helfern, Hunden und Packeseln führen sie 1.000 und mehr Schafe im Frühjahr vom Flachland in die Berge, im Herbst zurück in das flache Land – und oben wie unten wechseln sie ständig die Weideplätze. Sie gehen gelernte Wege, folgen einem inneren Kompass, kommen sich nicht in die Quere. Sie kampieren im Wohnwagen. Viele gehen zu Fuß, manchmal fahren sie mit Pick-up Trucks. Eine Kultur, eine Idylle, ein Brauch – könnte man meinen. Und da ist auch was dran. Nur hat sich die Landschaft, die die Hirten mit ihren Herden Jahr für Jahr durchqueren, im Laufe der Zeit radikal verändert und verändert sich weiter. Wo sie sich früher selbst den Weg gebahnt haben, ist heute vielleicht eine Autobahn. Wo sie früher über unbebautes Land gezogen sind, ist heute eine Neubausiedlung, wo sie früher kampiert haben steht heute eine Fabrik und wo sie früher Schatten unter einem Baum gefunden haben muss heute ein Telegrafenmast reichen. Stefano Carnelli hat die Hirten und die Schafe auf ihren Wegen begleitet und fotografiert. Es sind klassische, sorgfältig komponierte Landschaftsaufnahmen – nur dass da eben auch Neubauten, Industrieanlagen, Autobahnen und Telegrafenmasten zu sehen sind. Und genau das macht diese Bilder so stark. Man reibt sich staunend die Augen. Die Schafe verzaubern alles, egal, ob sie unter einer Autobahnbrücke durchwandern, den Platz einer Stadt füllen, einen Pass blockieren, im Gänsemarsch ein Neubaugebiet durchqueren, auf einem Parkplatz eine Runde drehen oder vor einem Einfamilienhaus die Sträucher anknabbern. Wenn die Herde kommt, hat jeder Ort seinen magischen Moment. Mit Portraits und Bildern aus dem Alltag der Hirten rundet Stefano Carnelli das Bild eines in großen und kleinen Zyklen funktionierenden, rar gewordenen Lebensstils ab. Monica Sassatelli liefert dazu in ihrem Essay weitere spannende Einblicke.