Über den Abgrund der Geschichte hinweg

Deutsch-jüdische Blicke auf das 20. Jahrhundert

von

‚Gegen das Vergessen‘, ‚für Toleranz‘, ‚für Offenheit‘ – so leichthin, aber auch so unverbindlich drücken wir uns oft aus. Indes liegt es an uns, den Phrasen auch Taten folgen zu lassen.
Als Bürger desselben demokratischen deutschen Staates, der seit Jahrzehnten den Menschen- und Bürgerrechten verpfl ichtet ist, sollten wir eigentlich Brücken zueinander bauen, Brücken über den historischen Abgrund hinweg. Über diesen nahezu bodenlosen historischen Abgrund, der uns – Juden und Nichtjuden – trennt, sollten wir uns die Hand reichen. Gerade die Nachfahren der Täter und Opfer haben diese Aufgabe, wenn sie in diesem Staat nicht nur leben wollen, sondern ihn als ihren Staat betrachten, als lebens- und erhaltenswerten, freilich verbesserungsbedürftigen, doch immer verbesserungsfähigen Rechts- und Sozialstaat.
Brücken bauen, über die Trauer und bewertende Erinnerung hinweg: nur dies
wird die Nachfahren der Täter und der Opfer auf lange Sicht zueinander bringen – über den Abgrund der Geschichte hinweg.