Unter den vielen Versuchen, sich erzählerisch der eigenen Familiengeschichte
zu nähern, sich seiner Kindheit und Jugend zu vergewissern,
nimmt das Buch Irmgard Hahns zweifellos eine besondere
Stellung ein.
Die Autorin, aufgewachsen auf einem kleinen Bauernhof im Neumärkischen,
jenseits der Oder, schildert so plastisch das bäuerliche
Leben in Haus, Hof und Feld – mit allen Tieren, die dazugehören,
mit drei Generationen unter einem Dach, mit dem Jahreslauf, den
kindlichen Vergnügungen, den bäuerlichen Traditionen und Bräuchen,
den ländlichen Festen –, dass es ein wahres Lesevergnügen ist. Alles
hat Farbe und Duft. Das herzhafte Erzählen Irmgard Hahns lässt ganz
unprätentiös ein Bild von Verantwortung für Mensch und Tier
entstehen, von Einklang mit der Natur, von Gemeinsinn.
Umso unvermittelter und grausamer, was dann folgt: Flucht vor dem
heranrollenden Krieg, versuchte Rückkehr, Vertreibung und endgültiger
Verlust der Heimat. Nichts von dem, was wir aus dieser Zeit
wissen, blieb der Familie erspart.
Das Buch bezieht einen Großteil seiner Wirkung aus eben diesem
ganz unvermuteten Gegensatz von Harmonie und friedlichem Miteinander
und der sich überschlagenden, alles überrollenden Zeitgeschichte.
Am Ende aber steht nicht Bitterkeit, sondern das produktive
Gefühl bewahrender Erinnnerung.
Irmgard Hahn, geboren 1933 in Zehden/
Oder (Kreis Königsberg / Neumark), studierte
Landwirtschaftswissenschaften, Deutsche
Sprache und Literatur und arbeitete seit 1963
als Lehrerin. Sie lebt heute in der Uckermark.
‚Unsere gute Lotte‘ ist ihr erstes Buch.
- Veröffentlicht am Dienstag 10. Dezember 2024 von Haag + Herchen
- ISBN: 9783898462143
- 118 Seiten
- Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur (ab 1945)