Unterhaltungen deutscher Arbeitslosen

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Im Geiste von Goethes „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“ lassen die „Unterhaltungen deutscher Arbeitslosen“ die Gattung des Novellenzyklus für das 21. Jahrhundert neu aufleben. Hier sind es jedoch keine Kriegsflüchtlinge vor dem Hintergrund der französischen Revolution mehr, die im Exil zusammensitzen und sich Geschichten erzählen, wie es in der Vorlage Johann Wolfgang Goethes, die 1795 in Friedrich Schillers Monatsschrift „Die Horen“ erschien, der Fall ist.
Die „Unterhaltungen deutscher Arbeitslosen“ finden im Europa der großen Finanzkrise statt, in Deutschland, das viel zu vielen noch als letzte Bastion ökonomischer Stabilität sowie wirtschaftlichen Aufschwungs gilt. Am „Selbsthilfe-Stammtisch Arbeitsnotstand“ treffen sich Menschen aller Altersgruppen und Schichten, denen eines gemein ist: prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wie es im bürokratischen Neu-Sprech so unverschämt verharmlosend heißt. Sie erzählen ihre Geschichten und solche, die sie von Freunden oder Kollegen gehört haben, und zeichnen damit das Bild der verheerenden Verwüstungen, die der postmoderne, globalisierte Kapitalismus im sozialen Gefüge hinterlässt.
Auf diese Weise sind die „Unterhaltungen.“ literarisch auch eine Rückkehr zum Ursprung der Gattung der Novelle, zur mündlich weitergegebenen Erzählung, die eine neue und auf die eine oder andere Weise unerhörte Begebenheit betreffen. Diese Begebenheiten reichen vom Familiendrama über große Liebschaften bis hin zu einem grausigen Kriminalfall und einer deutsch-deutschen Abenteuergeschichte.