Vom Triumph des Verzeihens

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Aufgewachsen in den 60er Jahren, scheint den Kindern dieser Generation die leidvolle Erfahrung von Krieg und Hungersnot erspart geblieben, sodass die meisten auf eine unbeschwerte Kindheit zurückblicken können?
Die kleine Christin erfährt anfangs liebevolle Zuwendung – einschließlich solcher ganz besonderer Art durch den Großvater… Bis zu dem Tag X, als dieser sie mit in den Keller nimmt….und das wiederholte Vergehen endlich aufgedeckt wird.
Die seelische Verletzung der Fünfjährigen kann nicht heilen, da der Vater sie von diesem Zeitpunkt an vehement zurückweist. Er verleugnet seine Tochter und das, was ihr widerfahren ist. Schlimmer noch: Er verdreht die Realität und macht aus dem Opfer eine Täterin. Fortan wird die traumatisierte Christin Opfers seiner häuslichen Gewalt, dem zusätzlich jedes noch so kleine Selbstwertgefühl im Keim erstickt wird. Alle kindlichen Versuche, wieder einen Platz im Herzen des Vaters zu finden, scheitern.
Ein Hund wird der erste „Vertrauenspartner“ des sensiblen Mädchens. Später wendet sie sich Tieren zu, macht ihre Begabung zum Beruf, wird eine erfolgreiche Hundetrainerin, lebt zeitweise in den USA, später auf Mallorca und scheint äußerlich ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sie hat gelernt: ich tauge nur etwas, wenn ich leiste. Innerlich jedoch ist sie verzweifelt auf der Suche …und gerät in die Sucht. Sie findet im Alkohol Erleichterung und Trost. Das Trauma wird mehr als vierzig Jahre verdrängt, bis eine völlig banale Begebenheit in einem Supermarkt eine Re-Traumatisierung auslöst und die Lawine ins Rollen bringt.
Mit dem Mut der Verzweiflung stellt sie sich ihrem Trauma, gewinnt langsam ihr Selbstwertgefühl zurück und findet einen Weg um wahrhaft frei zu werden.

Christin Canis‘ Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel, dass jedem ein Weg zu einem selbstbestimmten Leben möglich ist.