Walhalla

Literarische Parodien

von

Hermann Kesten sagt von Robert Neumann, dem Autor von „Mit fremden Federn“ und „Unter falscher Flagge“: „Aus dem glänzenden Parodisten wurde ein glanzvoller Epiker.“ Manfred Bieler ist nun den umgekehrten Weg gegangen – der glänzende Epiker erweist sich, gleichsam en passant, als treffsicherer Parodist seiner Zunft. Dabei begibt er sich bewußt auf brenzliges Terrain. Denn hierzulande war die Parodie als literarische Kunstform noch nie sonderlich wohlgelitten. Das mußte Friedrich Nicolai, Verfasser der Parodie „Freuden des jungen Werthers“, schon Ende des 18. Jahrhunderts erkennen, als Goethe und Schiller den Unbotmäßigen als „Todfeind“ geißelten: „Nicolai, zuerst schwöre dem Schönen den Tod!“ Augenzwinkernd lädt Bieler den Leser zu einem Rundgang durch das Walhalla der deutschsprachigen Literatur unseres Jahrhunderts ein; durch wohldosiert aufgetragene Nachbildung ihrer sprachlichen Eigenheiten und Marotten, ihrer stilistischen Prätentionen, karikiert er die Bewohner der dichterischen Ruhmeshalle mit deren eigenen Mitteln. „Weltkindlich-unternehmungslustig“, etwas boshaft, ein bißchen liebevoll, widmet er sich unter anderem der Lyrik von Bertolt Brecht, Erich Fried, Ingeborg Bachmann, der Prosa von Siegfried Lenz, Uwe Johnson, Peter Handke, Heinrich Böll, Christa Wolf, Günter Grass und etlichen anderen Poeten.