„Weisheit“ ist das Kernwort zu diversen Aspekten, die seit den antiken Spruchweisheiten mit dem Begriff verbunden sind. Was verbirgt sich nicht alles in dieser Position: Lebensweisheit, Weltweisheit, Binsenweisheit, Allerweltsweisheit, Sprichwörterweisheit. Ist „Weisheit“ heute einerseits ein Begriff für abgehoben akademisches Erörtern, andererseits für populärere Kurzformen eine scheinbar hochwertige, aber abgegriffene Floskel, bei der es nur um Wiederholung des Alten geht?
„Kritik“: Muss man erläutern, dass Sprachkritik, Gesellschaftskritik, satirische Zeit- und Sozialkritik, Kultur- und Ideologiekritik eine Grundposition des Aphorismus ausmachen? Hat sich der Aphorismus heute in dieser Funktion endgültig erschöpft, wenn er angesichts der Missstände, die uns die Medien tagtäglich auf den Schirm holen, nur ein müdes Abnicken zur Folge hat? Hat er damit seine aufklärerische Funktion eingebüßt?
„Impuls“: Konkrete Anstöße aus der Gattung gewinnen die Medizin, die Psychologie und Psychotherapie sowie die philosophische Praxis; das reicht bis zur praxisorientierten Lebensgestaltung mit Slogans, Losungen und Sprüchen. Der Weg zur Trivialaphoristik, die Regeln und Rezepte vermittelt, und zum Kalenderspruch ist dabei nicht weit. Können aus solch fragwürdigen Denkanstößen noch echte Impulse erwachsen?
Und eine letzte Frage schließlich über diese drei Begriffe hinaus: Ist der Aphorismus jenseits aller Funktionalität nichts anderes als „schöne“ Literatur, eine zeitlos wichtige Form innerhalb der „kleinen Prosa“?
Aphorismen der Preisträger:
„Für einen besseren Ausblick zerschlage ich noch jeden Tellerrand“. (Wolfgang Endler)
„Alle reden davon, dass die Boote voll sind, aber keiner wundert sich darüber, dass sie untergehen.“ (Isabella Krainer)
„Geflügelte Worte landen gern auf Kalenderblättern.“ (Jörg Dahlbeck)
- Veröffentlicht am Freitag 6. Mai 2016 von Universitätsverlag Brockmeyer
- ISBN: 9783819610288
- 80 Seiten
- Genre: Aphorismen, Belletristik