Weißdorn

Roman

von

Herbert, Lehrer an einem Wiener Gymnasium, alleinstehend, ist eben vom Alkoholismus geheilt. Sein Bruder Reinhold, mit dem er von Jugend an zerstritten war, hat sich vor kurzem umgebracht. Herbert versucht, mit seinem toten Bruder Frieden zu schließen. Er erzählt von Kindheit, Jugend, vom Erwachsenwerden und -sein, ein rasch gesponnener Geschichtsfaden, der durch fünf Jahrzehnte bis zu Herberts Absturz führt. Etwas in der Schäfer-Familie stimmt nicht. Die Großtante Valerie ist verschwunden. Mutter besucht einen Psychiater, sie stirbt früh bei einem Autounfall.
Liz ist Reinholds Frau, Max der gemeinsame Sohn. Die Familie Rotensteiner – Reinhold hat ihren Namen angenommen – lebt in einem Waldviertler Dorf. Reinhold und Liz, beide Sozialarbeiter, sind ‚Stadtflüchtlinge‘, Aussteiger ‚light‘ – ohne Schafe und Ziegen. Das Erzähltempo wird langsamer, als die Familie einen Urlaub an der Adria verbringt. Reinhold schreibt Reisetagebuch. Reinhold hat Angst, ‚Es‘ zu haben. Liz möchte, dass er sich untersuchen lässt. Mütterlicherseits gibt es in der Schäfer-Familie die Chorea-Huntington-Krankheit, im Volksmund auch Veitstanz genannt. Diese neurologische Erkrankung wird vererbt und ist unheilbar. Sie führt zu Bewegungsstörungen, Depression, Persönlichkeitsveränderung, Demenz und Tod.
Reinhold bekommt Hinweise, dass Valerie, eine ‚verschwundene‘ Großtante Herberts und Reinholds, in der Nazizeit in der Psychiatrie war und im Rahmen der sogenannten Euthanasieaktion T4 ermordet worden ist. Valerie wird in Reinholds Aufzeichnungen und Tagebuchnotizen zur Brieffreundin, ihr vertraut er sich an.
Herbert durchwandert die Wüste des eben trocken gewordener Alkoholikers. Er hat eine Perspektive. Reinhold lässt sich untersuchen – ein positives Ergebnis stürzt ihn in Verzweiflung. Auch er muss durch eine Wüste. Allerdings ohne Ziel. So fasst er einen Entschluss. In einem winterlichen Wald nimmt er sich das Leben. Für Herbert, Liz und Max tut sich eine schwierige Zukunft auf.
Der Roman erzählt eine lückige Familienchronik, die ganz wird. Ein Gewebe, das trotz der Brüche, trotz der Ruinen, trotz der verlorengegangenen Menschen letztlich hält. Der Weißdorn vor dem Haus neigt sich und nimmt alles mit.