Welch ein Weib!

Mädchen- und Frauengestalten bei Thomas Mann

von

„Welch ein Weib! Hera und Aphrodite, Brünhilde und Melusine in einer Person!“ ruft Makler Gosch, der Lübecker Schöngeist, beim Anblick von Gerda Buddenbrook. Wenn diese berüchtigten Damen, die Sinn- und Abbilder der Verführung, ins Licht gezogen werden, ist das in der Tat einer genaueren Betrachtung wert. Denn die hier Aufgerufenen sind nicht nur Ahnfrauen der Lübecker femme fatale, in vielfältiger Mimikri finden wir sie im gesamten Werk Thomas Manns, das Doris Runge, den Blick fest auf die Mädchen- und Frauengestalten in Thomas Manns Werk geheftet, mit ungewöhnlichen und neuen Perspektiven belebt.
Ob den todbringenden Frauen aus Thomas Manns Frühwerk oder den Verführerinnen und Betrogenen, den Gottesbräuten und Madonnen, den Esmeralden und Seejungfrauen aus den späteren Romanen – Doris Runge hat jeder dieser Frauengestalten in ganz eigener, poetischer Manier nachgeforscht. Ihre Thomas Mann’sche Porträtgalerie lenkt den Blick auf deren mythopoetischen Hintergrund und auf das Zusammenspiel des männlich und weiblichen Figurenensembles. Dabei zeigt sie, daß der vermeintlich misogyne und seine homoerotische Neigung camouflierende Romancier überzeugende weibliche Figuren geschaffen hat. Doris Runges Vorträge, die in Welch ein Weib! in ihrer essayistischen Fassung vorliegen, sind zum Teil bei den internationalen Kolloquien der deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft gehalten worden.