Wenn aus Feinden Freunde werden

Leben in drei Welten von Frowin Junker

von

WARUM DIESES BUCH?
Januar 2016. Es war dunkel morgens 5.50 Uhr an der Bushaltestelle. Ich sah jeden Morgen um diese Zeit den Bus mit der Nummer 98 kommen. Ich nickte dem Busfahrer zu. Zwei Tage später sagte ich: „Guten Morgen!“ Er antwortete mit einem „Guten Morgen“, aber mit Akzent.
„Woher kommen Sie?“, fragte ich.
„Aus Warmbronn.“
„Wo ist Ihre ursprüngliche Heimat?“
„Rumänien.“
„Da war ich. Aus welcher Stadt in Rumänien kommen Sie?“
„Satu Mare.“
„Da war ich in der Nähe, in Baia Mare!“
„Was, Sie kennen Rumänien?“
„Ich kenne Ihr Land etwas, ein wunderschönes Land!“
„Sie haben recht! Aber jetzt muss ich leider abfahren …
Bis Morgen!“
Zwei Tage später wieder morgens 5.50 Uhr.
„Wann waren Sie in Rumänien?“
„Nachdem der Eiserne Vorhang aufgegangen war!“ ‒ Es inte-ressierte ihn. Ein Deutscher, der sein Land ein wenig kannte. Jeden Morgen gab es zwei bis fünf Minuten, die wir vor dem Abfahren miteinander sprechen konnten ‒ auch über die Schönheiten seines Landes. „Ich muss los“, hieß es dann immer wieder. „Bis Morgen!“
Tags darauf der Busfahrer: „Ich habe zwei Fragen an Sie. Erstens, warum heißt diese Haltestelle Golfplatz? Ich habe hier noch nie jemand Golf spielen sehen. Zweitens, wie konnte ein Österreicher der Chef von Deutschland werden?“
„Die erste Frage kann ich sofort beantworten. Hier haben die Amerikaner nach dem Krieg einen Golfplatz eingerichtet. Daher der Name. Die zweite Frage braucht mehr Zeit. Da müssen wir länger zusammensitzen.“
„Machen wir bei einem Glas Wein!“
Es kam nicht zu dem Glas Wein, aber ein Jahr später, als er in den Ruhestand nach Rumänien ging, sagte er: „Herr Junker, ich lade Sie ein, kommen Sie im nächsten Jahr nach Rumänien. Ich zeige Ihnen dort alles. Sie sind mein Gast. Ich freue mich darauf!“
Ein weiterer Grund: Mein Freund John Pribram aus den USA hat mir oft geschrieben. 1949, vor 68 Jahren, stellte er mir eine entscheidende Frage: „Bist du bereit, uns zu helfen und zu über-setzen?“ ‒ Ich ahnte nicht, wohin dies führen würde, als ich „Ja“ sagte für 14 Tage. John war eigentlich Tscheche. Er stammte aus einer jüdischen Familie. Er konnte fliehen, wurde amerikani-scher Soldat, verlor ein Bein im Krieg. Er wollte nie mehr nach Europa. Bis er Jahre später Bitterkeit und Hass überwand und 1948 mit vielen Amerikanern nach München kam.
Viele Jahre danach forderte er mich auf, über das Erlebte zu schreiben: „I hope you are now working on our story – the war was terrible, but what happened afterwards in your country and certainly in mine fills you with hope about the future … be sure your story will bring hope and faith to all who will be privileged reading it.“
(„Ich hoffe, du arbeitest jetzt an unserer Geschichte – der Krieg war furchtbar, aber was nach dem Krieg geschah in deinem Land und sicher auch in meinem gibt Hoffnung für die Zukunft … sei sicher, dass deine Erzählung denen, die das Privileg haben, sie zu lesen, Hoffnung und Glauben bringen wird.“)