Werkausgabe Walther Rode. Band 1-4

von

‚EINE WOLKE BALLT SICH ZUSAMMEN, DIE FLUT SCHWILLT, ein Akt läuft auf.
Wehe dem Sterblichen gegen den ein Akt aufläuft! Wehe aber auch dem noch Unverstorbenen gegen den ein Akt jemals aufgelaufen ist. Solch ein Akt hält ihn in Schach bis zum Tode.
Akten, einmal aufgelaufen, haben ein zähes Eigenleben, das die Existenz ihres Namensträgers mindern will; ein Eigenleben, das solange immer wieder virulent werden kann, als nicht entweder der Akt oder sein Held zu sein aufgehört haben.
Der dich betreffende Akt ist die düsterste Sollseite deiner Existenz. Die Seele deines Aktes: der unverjährbare Haß des beamteten, aktenschmierenden, auf einem überhöhten Sitz thronenden gegen den in keine Rangsklasse eingeteilten, aktenscheuen, erbsündebelastet vor ihm stehenden Menschen.
Als Adam und Eva nach teuflisch eingefädelter, geglückter Verleitung zum Genur der verbotenen Früchte aus dem Paradies vertrieben wurden, da hat Satan hierüber den ersten Akt angelegt. Seither ist Satan ununterbrochen am Werk, so oft eine in Blatt- und Ordnungszahlen eingeteilte Mitrailleuse aus Protokollen, Vermerken, Befunden, Korrespondenzbogen sich über dem gequälten Menschen entlädt.
Welch‘ infernalische, menschenmordende Kraft dem Akt an und für sich innewohnt, nur weil er noch besteht, nur weil er durch einen Zufall sich erhalten hat, nur weil verblödeter Ordnungssinn, die Evidenz- und Registriermaschine der Kanzleien, ihn weiter behandelt statt ihn zu vernichten, nur weil er sich über den gedankenlosen Häuptern seiner Wärter als selbständige kriegführende Macht etablieren darf, davon will ich berichten: davon, wie das verlauste, vergilbte, abgestorbene Aktenpapier wütet gegen das lebendige Fleisch des Menschen.‘