Werkkreis Literatur der Arbeitswelt

Geschichten, Gedichte und Essays zu Digitalisierung, Industrie 4.0 und zur Zukunft der Arbeitswelt

von

Vorwort
Dieses Buch ist Wolf-Dieter Krämer gewidmet, dem am 29. März 2018 verstorbenen Werkkreis-Bundessprecher und Initiator dieser Anthologie.
Was meint eigentlich Industrie 4.0?
Mitte des 18. Jahrhunderts ersetzen mechanische Produktionsanlagen die Handarbeit. Die Erfindung der Dampfmaschine und der Eisenbahn ist vollbracht. Die Mechanisierung beschert der Arbeitswelt die 1. Industrielle Revolution.
Um 1900 entstehen das Fließband und die damit einhergehende Massenproduktion: Industrie 2.0.
Ab 1970 beginnt mit der Computerisierung der Maschinen die Automation: die Industrie 3.0.
Und die Digitalisierung der 4. Industriellen Revolution vernetzt alles mit allem: Industrie 4.0.
Computer handeln und entscheiden firmen- und länderübergreifend, ohne Zutun des Menschen. Die gleichzeitige Demontage von Menschen- und Arbeitsrechten führt zu grundlegenden sozialen Veränderungen.
Dies waren für Wolf-Dieter Krämer triftige Gründe, zur gegenwärtigen und zukünftigen Arbeits- und Alltagswelt, zu Big Data, Virtual Reality und anderen Erscheinungen der digitalisierten Welt kreativ-literarisch Stellung zu nehmen. Gemeinsam mit dem Werkkreis Literatur der Arbeitswelt und dem VS Bayern formulierte er eine Ausschreibung für diese Anthologie. Es war ein Anliegen von Wolf-Dieter, herauszufinden, wo wir stehen, wo die Arbeitswelt hingeht, was die Digitalisierung heute bereits mit uns macht, was wir über ihren Nutzen denken, welche Gefahren wir fürchten.
Was geschieht mit unserer Demokratie?
Müssen wir neu denken?

Was sollen wir zum Beispiel davon halten, wenn ein Innenminister von Eigenverantwortung der Bürger spricht und gleichzeitig nicht in der Lage ist, uns vor digitalen Einbrüchen ins Netz des Bundestages zu schützen? Was sollen wir von Ministern halten, die mehr als fahrlässig mit ihren Daten im Netz umgehen? Ist das Ignoranz den Bürgern und ihren Sorgen gegenüber oder haben der Staat und seine Minister noch gar nicht verstanden, welchen Weg die Digitalisierung geht? Wir müssen uns aber fragen: Welchen Staat wollen wir? Das Beispiel China zeigt, dass man mit Digitalisierung einen Staat schaffen kann, der Bürger mit einem Punktesystem überwacht und für erwünschtes Verhalten belohnt. Ohne Punkte ist man ein Nichts, bekommt keinen Kredit, keine Arbeit, darf nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und steht öffentlich am Pranger. Dies könnte Stoff einer Geschichte sein, ist aber in der ostchinesischen Küstenstadt Rongcheng schon Realität. Und es gibt Menschen – nicht nur in China – die das begrüßen. Auch manche Geschichten in dieser Anthologie muten wie Science-Fiction an – inwieweit sie realistisch sind, mögen die Leserinnen und Leser selbst entscheiden. Auf den Schreibaufruf zu diesem Thema gingen insgesamt 142 literarische Texte von 91 Autoren ein und es war für die Jury nicht immer einfach, zu entscheiden, ob ein Text noch im Sinne der Ausschreibung die Digitalisierung der Arbeitswelt thematisiert hat. Für den Werkkreis bedeutet Arbeitswelt aber schon immer die gesamte Lebenswelt der abhängig Beschäftigten. Viele Texte zeugen von Zweifeln und Ängsten und sind ein Spiegel der Verunsicherung, die das Thema in der Gesellschaft auslöst. Digitalisierung – Fluch oder Segen? Auf jeden Fall konnte aus den Einsendungen für dieses Buch ein zum Nachdenken über 4.0 anregender, spannender Querschnitt zusammengestellt werden – mit Prosatexten, lyrischen Texten und Essays von bekannten und weniger bekannten Autorinnen und Autoren.
Udo Stenzhorn
Sprecher der Werkstatt Nürnberg des
Werkkreis Literatur der Arbeitswelt e. V.