Der Einzelne kann sich entscheiden, ob er eine Hinterlassenschaft antreten oder sie ausschlagen will. Doch was tun, wenn es keine Erben gibt oder diese kein Interesse an der elterlichen Kunstsammlung oder Bibliothek zeigen? Veräußern? Der Allgemeinheit zugänglich machen?
Individuelles wie gesellschaftliches Erbe sind mitunter weder schulden- noch schuldfrei zu haben. Schließlich gehört auch die Kulturgutbeute dem Sieger, und was von Kultur zeugt, zeugt nach einer These Walter Benjamins zugleich von Barbarei.
Für manchen Privatsammler mag gelten, was in besonderem Maß auf Kulturen und ihre Artefakte zutrifft: Sie knüpfen ihre Geschichte und ihre Erzählungen an konkrete Orte und Menschen – an Götter freilich auch – und leiten aus ihrer Gegenwart einen Anspruch auf Ewigkeit ab. Vergeblich.
Es liegt an den jeweiligen Kulturerben zu entscheiden, ob sie das Erbe als Stärkung und Bereicherung eigener Kultur begreifen, es „überschreiben“ oder zerstören.
Die wespennest-Herbstausgabe widmet sich der Dynamik von Erinnern und Vergessen ebenso wie der Frage, ob künftig Kultur-Blauhelme gegen „Götzenzerstörer“ kämpfen sollen. Es geht um Erbschaftskonflikte Sarajevos, den Umgang mit Architekturikonen der Moderne und ideologisch belastetes Weltkulturerbe der Bronzezeit, mit dem niemand etwas zu tun haben will.
- Veröffentlicht am Mittwoch 15. November 2017 von Wespennest
- ISBN: 9783854581734
- 112 Seiten
- Genre: Belletristik, Essays, Feuilleton, Interviews, Literaturkritik, Loseblatt-Ausgabe, Zeitschrift