Widerwort & Widerstreit

Edition Werk Band 6 - Lyrik & Dichtung

von

Schweigen zu meinen Texten.
Zu meinen Texten werde ich schweigen, kann ich nicht sprechen. Sie sind eigenständige Wesen und müssen für sich selbst sprechen. Warum sollte ich auf jede Frage und Meinung antworten? Eine Frage, die bereits eine vorgefasste Meinung impliziert. Wer mehr wissen will, muss die Texte lesen, die Werke kaufen. Nur das bringt ihn näher zu meiner Dichtung. Die ständige Reflexion, das immerwiederlesen, das nachbeten, nur das führt den Leser zu irgendeiner Erkenntnis. Der Text eines Werkes zeigt Persönlichkeit. Diese ist zu respektieren. Diesem Text eine bloße Meinung gegenüberzustellen ist nicht angemessen. Zu den Texten ist zunächst NICHTS zu sagen. Sie erfordern ein Maß an Nachdenken. Worüber man nicht sprechen kann, darüber sollte man schweigen. Es geht in allen Texten immer um die X-Frage. Die Frage lautet: Was ist X? Dieses X ist uns zunächst nicht zugänglich. Es gibt zu den Texten weder eine Meinung, noch überhaupt Meinung, noch sind sie vergleichlich. Ein Text kann sich nur nach jahrelanger Liebe erschließen. Dem Leser, der wie der Wächter, zum Beginn der Orestie, der den Erfolg erkennt. Troja ist gefallen und er beginnt in der Orestie: Zu den Göttern fleh ich um Erlösung von der Pein jahrelangen Wächterdienstes … und an anderer Stelle heißt der gleiche Beginn: Die Götter bitte ich um eine Änderung, um ein Ende meiner Mühen, um ein Ende meines jahrelangen Wachdienstes. Der Leser als Konsument, nun als Wächter. Er wartet auf Erkenntnis und bewacht gleichzeitig. Er hofft auf eine gute Nachricht. Seine Aufgabe erfüllt sich, sobald er die Nachricht überbringt. Solange über den Text nichts aussagbar ist, kommt es zu keinem Erkenntnisfortschritt. Darüber darf man nicht reden. Aber nach einem erfolgreichen Wächterdienst zeigt sich der Text. Das wahre eines Gedichtes bleibt uns als Menschen unzugänglich. Das ist sehr unbefriedigend.