Wie fühlt es sich an, ein Tier zu sein?

21. Würth Literaturpreis

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Wie fühlt es sich an, ein Tier zu sein? – am letzten Tag der Tübinger Poetik-Dozentur hatte Jonathan Franzen das Thema des Würth-Literaturpreises 2010 bekannt gegeben. Die Frage, was den Menschen von Tieren unterscheidet und ihn letztendlich zum Mensch macht, beschreibt Franzen in seinem Vorwort zu diesem Band: Es ist die Fähigkeit, sich mit den Geschehnissen des eigenen Lebens narrativ auseinanderzusetzen. Sprich: Wer erzählen kann, ist Mensch.
Franzen folgt dem Linguistic Turn, der auch in der Psychoanalyse zu der Erkenntnis geführt hat, daß Sprache eine Grundvoraussetzung des menschlichen Seins darstellt. Aber auch die umgekehrte Denkrichtung ist für Franzen interessant und wird durch seine eigene begeisterte Vogelbeobachtung aufgeworfen. Die eingesandten Texte zeigen, wie viele Facetten die gestellte Frage hat: Es geht um Tierwerdung am Ende des Lebens und professionelles Tier-Sein, das Verhältnis des Menschen zu Tieren, Tiere als Metapher und Spiegelbild des Menschen, den Menschen als Tier oder das Tier als Freund und Bindeglied zur Welt.
Dieser Band zum Würth-Literaturpreis enthält die beiden Siegertexte Das Haus von Ulrike Schäfer (1. Preis) und Pferd, hinten von Barbara Dickow (2. Preis) sowie 12 weitere herausragende Texte aus dem Wettbewerb.

‚Auch wenn das Verhalten von Tieren oft durch ihre Erlebnisse in der Vergangenheit bestimmt wird, und obwohl es oft auf zukünftige Bedürfnisse gerichtet ist (das Eichhörnchen versteckt Nüsse), nehme ich an, daß nur der homo sapiens, als einziger unter den Tieren, die Fähigkeit hat zu erzählen. Ohne diese Erzählung ist eine Vorstellung von individueller Identität unmöglich. Bedauern der Vergangenheit, Furcht vor der Zukunft: unmöglich. Die Erzählung ist es, die Menschen zu Menschen macht, und wir können uns nur fragen: Wie ist es, ohne diese Fähigkeit zu leben? Wie fühlt es sich an, ein Tier zu sein?‘
Aus dem Vorwort von Jonathan Franzen