Winterreise

von

Julian Schuttings neuer Lyrikband ist eine Begegnung mit der Romantik und gleichermaßen deren Fortschreibung. Unschwer erkennbar ist die Verwandtschaft zur „Winterreise“ von Wilhelm Müller (1823/24) – dank der Vertonung durch Franz Schubert einer der bekanntesten Liederzyklen der Romantik. Sein Grundthema – der existenzielle Schmerz, der den Einzelnen in die Welt hinaus und schließlich nach vergeblicher Glückssuche in die Hoffnungslosigkeit des Winters hineintreibt – ist von erstaunlicher Modernität. Der Protagonist dieser Lieder hat es Julian Schutting angetan: Noch erbarmungsloser lässt er seinen Wanderer voller Weltenttäuschung ziel- und hoffnungslos umherirren, in drastischen Bildern schlagen ‚Schicksal‘ und Natur zu, das ‚romantische‘ Wandern endet im lächerlichen Schmerz einer tödlich verwundeten Seele. Den Weltschmerz der Romantik bannt Schutting in einen kühnen, lyrischsachlichen, manchmal ironischen Ton und formuliert eine abgeklärte Alterselegie, die um die letzten Dinge genauso reflektiert wie um das, was das Leben ausgemacht hat: die Liebe, die Natur, die Kunst. Das Tiefgründige wird dabei geradezu spielerisch-leicht beschworen. So unbeschwert und intensiv zugleich hat man den Lyriker Schutting noch nie erlebt. Mit der „Winterreise“ ist er zweifellos am Höhepunkt seiner Kunst angekommen.