Zeitgut

Spannende Fluchtgeschichten aus der DDR. 1961-1989. Auswahl

In diesem Zeitgut-Auswahlband erzählen ehemalige DDR-Bürger, was sie in den Jahren 1961 bis 1989 erlebt und erlitten haben und was sie taten, um die Mauer zu überwinden. Erstaunlich viele wagten die Flucht. Sie wollten in die Freiheit – um jeden Preis. Dafür nahmen sie drohende Haftstrafen und oft sogar ein tödliches Risiko in Kauf. Trotz Schießbefehl, strengster Kontrollen und ständiger Perfektionierung der 1.300 Kilometer langen Grenzanlagen gelang es etwa 40.000 Menschen, als „Sperrbrecher“ die Mauer zu überwinden. 765 Menschen zahlten dafür mit ihrem Leben.

Das Buch gibt einen Einblick in die Vielfalt der Motive, die zum Entschluß führten, die DDR zu verlassen. Und es erzählt vom Einfallsreichtum bei der Suche nach Fluchtmöglichkeiten. Sie versuchten, durch selbstgebaute Tunnel zu kriechen, die Elbe zu durchschwimmen und über die Tschechoslowakei, Bulgarien oder Ungarn zu fliehen. Dabei sind gerade die letzten Fluchtgeschichten oft allein deshalb tragisch, weil der Fall der Mauer 1989 so unerwartet kam. Manche lebensgefährlichen Fluchten, wie die im Buch erzählten Geschichten von Siegfried Wehrhoff und Mario Goldstein, wären unterlassen worden, wenn der Mauerfall zu vermuten gewesen wäre.
Noch im Januar 1989 hatte Erich Honecker erklärt, die Mauer werde auch in 100 Jahren noch stehen, wenn die Gründe für ihre Errichtung nicht fortfallen. Viele – besonders junge – DDR-Bürger haben das allzu wörtlich genommen. Das Gefühl des ewigen Eingesperrtseins verbreitete sich vor allem unter ihnen in den letzten Jahren der DDR geradezu epidemisch. Die Bereitschaft, riskante Fluchtversuche zu unternehmen, wuchs wieder. Und die Schar der Antragsteller für eine offizielle Ausreise schwoll trotz der damit verbundenen Schikanen dramatisch an. )

In drei Geschichten berichten Eltern von der Sorge um ihre Kinder. So Helga Brachmann aus Leipzig, deren Tochter anstatt ihr Medizinstudium aufzunehmen, um das sie so hartnäckig gekämpft hatte, im Kofferraum eines Autos mit einem „tollen West-Mann“ flieht. Zwei Jahre später wird ihr Sohn Christian, genannt Kuno, Sänger und Gitarrist der verbotenen „Klaus-Renft-Combo“ verhaftet und später zusammen mit dem Liedermacher Gerulf Pannach und dem Schriftsteller Jürgen Fuchs ausgewiesen. Ganz ähnlich ergeht es den Söhnen und der Schwiegertochter von Rudolf Bentz nach der Verhaftung in Folge einer Plakataktion zur Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988.

Das alles ist nun Geschichte. Der vorliegende Band will bei den Älteren Erinnerungen auffrischen und den Jüngeren ein Gefühl für die Jahre der Trennung vermitteln, damit nicht nur die nackten Zahlen von jener Zeit bleiben, sondern auch Ängste und Träume, erfüllte Sehnsüchte und enttäuschte Hoffnungen erlebbar bleiben werden. Wer das Buch liest, wird dem Atem jener Jahre nachspüren.

Aus dem Inhalt
Siebzig Meter Angst • Republikflüchtige Aale • Alles umsonst • Die Prag-Connection •
Beinahe wieder eingesperrt • Angst • Mein Sohn und die „Magdalene“ • Das Ende der Kindheit • Freiheit, ich komme! • Einmal Gießen – und zurück • Der Ausreiseantrag • Weil Honecker irrte: Mit Leiter und Badehose in den Westen • Mutter in jenen Tagen • Die Demonstration