ZEITREISEN nennt Rossbacher diesen Band, und als „Erzähl-Essays“ bezeichnet er seine Verknüpfungen von persönlichen Erfahrungen mit Reflexionen zu Werken der Literatur. Ein zauberhaft menschenleeres Venedig um vier Uhr früh hat sich ihm unvergesslich eingeprägt und ihn hernach zu den berühmten Venedig-Schilderungen von Mary McCarthy, Joseph Brodsky und Susan Sontag geführt. Rudyard Kiplings Dschungelbücher hat er Kindern einer Volksschulklasse erzählt, die sich heute noch daran erinnern. Seiner Autografen-Sammlung entnimmt er einen Brief Thomas Manns und einen des Mussolini-Anhängers Ezra Pound und stellt die beiden Schriftsteller in ihre scharf kontrastierenden Positionen im Zweiten Weltkrieg. Kurt Vonnegut, Kritiker des amerikanischen Establishments und Erzähler des Brandbombardements auf Dresden, führt ihn andererseits in die Erinnerung an das friedfertige Leben im Theaterstück Unsere kleine Stadt von Thornton Wilder. Rossbacher holt persönliche Erinnerungen an atomare Gefährdungen aus der Verdrängung (Harrisburg, Tschernobyl) und befragt das Potenzial der Literatur, Weltuntergänge zu beschwören. Zu den Büchern, denen Rossbacher möglichst viele (und noch mehr) Leser wünscht, gehören nicht nur der Roman Der Gattopardo (1958) von Giovanni Tomaso di Lampedusa und Der Fänger im Roggen (1951) von J. D. Salinger, sondern auch Johann Peter Eckermanns Gespräche mit Goethe (1836, 1848) und die Briefe des „Aussteigers“ Alexander von Villers (1812–1880). Der Essay als Form ist mehr als „Wissenschaft in Pantoffeln“ (Robert Musil). Auf diese Weise versucht Rossbacher, Phänomenen wie zum Beispiel der Langeweile oder dem Geld (und der Habsucht) auf die Spur zu kommen. Daraus ergeben sich eine Fülle von überraschenden Perspektiven und zahlreiche Lese-Anregungen.
KARLHEINZ ROSSBACHER wurde 1940 in Waidegg in Kärnten geboren. Er studierte Germanistik und Anglistik an den Universitäten Wien, Innsbruck und Salzburg sowie – im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums – an der University of Kansas, Lawrence. 1966 begann er seine Tätigkeit an der Universität Salzburg, wo er bis zu seiner Emeritierung 2008 als Professor am Fachbereich Germanistik unterrichtete. Er publizierte unter anderem zur Rezeption von Coopers Lederstrumpf, zur Heimatkunst und Heimatliteratur, zur Kultur der Ringstraßenzeit in Wien sowie zur Wiener Jahrhundertwende. Zusammen mit seiner Frau Constanze gab er die Briefe Alexander von Villers’ heraus. 2013 erschien Lesen und Leben. Ein persönliches Alphabet. Rossbacher erhielt zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen.
Inhalt
Vorbemerkungen
ZUERST DAS LACHEN …
Lachen in der Literatur und überhaupt
… DANN DAS BANGEN
Von Weltuntergängen in Teilmengen und ganzen
Alles passiert zunächst in der Literatur, auch Bombe gegen Bombe
AUTOGRAFEN
Blättern in einer Sammelmappe, nebst einem Frage-Plädoyer fürs Schreiben mit der Hand
Ein Brief: Ezra Pound und das Aber
Ein Brief: Thomas Mann in den Neunzehnhundertfünfzigern
ZEITREISEN
Venedig um vier Uhr früh
Zeitreisen mit Kurt Vonnegut
Stromboli
VON PANTHERN, MENSCHEN UND GITTERN
Der schwarze Panther an der grünblauen Gail
Rainer Maria Rilkes Panther, seine Verwandten und die Bildsprache des Gitters
EIN MIX …
„Geld ist, was es wirkt.“ Das weiß auch die Literatur
Langeweile – der Hintern Gottes? (Ernst Bloch)
Grimasse oder Pokerface, mit ein wenig Theorie
… UND STREIFZÜGE DURCH BESONDERE BÜCHER
Johann Peter Eckermann möchte ein Anderer sein
Vom Weltmann zum Landmann: Alexander von Villers, Briefe eines Unbekannten
Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Gattopardo
Jerome David Salinger: Was ist phony?
David Lodge: Deaf Sentence / Wie bitte?
- Veröffentlicht am Montag 23. Dezember 2024 von Lehner, Johann
- ISBN: 9783902850102
- 240 Seiten
- Genre: Belletristik, Essays, Feuilleton, Interviews, Literaturkritik