zenith 2018 1

Ich, Nuri Al-Maliki - schon vergessen?

Nicht ganz zu Unrecht ist das Hintergrundgespräch ein wenig in Verruf geraten. Einst galt es als Spiel mit klaren Regeln: Entscheider können in einem geschützten Raum den großen Kontext zeichnen und erklären, was sie wozu bewogen hat. Off the record, denn es gibt eben Dinge, die man am nächsten Tag nicht eins zu eins in einer Zeitung wiederfinden möchte. Es könnte andere brüskieren oder in Zugzwang versetzen, sich ebenfalls zu Wort zu melden.
Auch der seriöse Journalismus neigt ja – mitunter auch in bester Absicht – zur verkürzten Darstellung der Zusammenhänge. Das Hintergrundgespräch indes ist keine Einbahnstraße, sondern eben ein Gespräch, in dem auch diejenigen, die sonst nur Fragen stellen, ihre Meinung kundtun können. Am Niedergang des Hintergrundgesprächs trägt wohl die wachsende Konkurrenz von Medien um schnelle Nachrichten und Enthüllungen die Schuld – und die damit verbundenen Indiskretionen. Aber auch die Mächtigen gebrauchen es unsachgemäß: um politische Gegner in Verruf zu bringen, sich mit Durchstechereien taktische Vorteile zu verschaffen, ohne dafür später – zitierfähig – die Verantwortung zu tragen. Der schwerstmögliche Missbrauch aber besteht in jenen ebenso durchsichtigen wie lästigen Versuchen, Allgemeinplätze und längst Bekanntes als vertraulich zu verkaufen, um sich wichtig oder gar beliebt zu machen.
Als Iraks Ex-Premier Nuri Al-Maliki spätabends in seinem Wohnhaus in der Grünen Zone Bagdads zenith-Chefredakteur Daniel Gerlach empfing, war nicht mehr vereinbart als ein kurzes Hintergrundgespräch über die Lage nach dem Sturz des sogenannten Islamischen Staats und die Wiederaufbaupläne im Irak.
In dieser Phase zwischen dem Sieg über die Dschihadisten und den bevorstehenden Wahlen im Mai 2018 schien die politische Klasse Bagdads verhältnismäßig optimistisch. Bei Maliki aber kam das Thema schnell auf die Vergangenheit. Er, der polarisierende Machtmensch, dem viele die Schuld am Aufstieg des IS, dem Zusammenbruch der Streitkräfte und der Nahtoderfahrung staatlicher Ordnung im Irak gegeben hatten, hatte einiges zu erzählen. Als er seine Version der Geschichte präsentierte, fragte Gerlach, ob er das »Hintergrundgespräch« nicht aufzeichnen und veröffentlichen dürfe. Maliki, der Begegnungen mit westlichen Medien in der Regel meidet, willigte ein und verlangte später, bei der Autorisierung der arabischen Transkription, auch keine Korrekturen. Sozusagen auf der Couch sprach er über den Fall von Mosul, Obama, die Iraner und sein Kalkül mit dem syrische Regime. Das ebenso seltene wie unverhoffte Interview lesen Sie ab Seite 32.
Nicht nur die Republik Irak befindet sich in einem kritischen Moment ihrer Geschichte, in der man vieles besser machen kann – und sich ein Stückweit neu erfinden muss. Auch unser Magazin zenith baut um: Wir wollen aktueller informieren und dem Umstand Rechnung tragen, dass unsere Leserinnen und Leser mobiler und globaler werden, indem wir unser digitales Programm ausbauen. Das gedruckte Magazin wird es weiter in gewohnter Qualität geben – es wird allerdings seltener er- scheinen, zu Gunsten multimedialer Angebote. Deshalb ist es Zeit, dass wir, liebe Leserinnen und Leser, etwas genauer erklären, was wir vorhaben – mit uns und Ihnen, wenn Sie es gestatten. Mehr dazu ab Seite 8.
Dankbar und zuversichtlich, wie immer