Zhili Byli

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Archangelsk / Russland / noch 225 km bis zum nördlichen Polarkreis. So beginnt Andrè Lützen sein Buch ›Zhili Byli‹ und genau darum geht es auch. Der Fotograf ist weit in den Norden Russlands gereist und hat Zeit verbracht an einem Ort, der wenig bekannt ist und den man kaum in Reiseführern finden wird. Es ist kalt und nass, der Fluß ist zugefroren, die Straßen sind grau, nachts leuchtet eine einsame Reklametafel – ohne Reklame. Die Menschen leben in Plattenbauten oder einfachen Holzhäusern, der Anstrich im Treppenhaus blättert. Trotzdem, hier leben Menschen, 350.000 Einwohner hat die Stadt, haben sich eingerichtet in ihren Häusern und Wohnungen, gewappnet für die langen kalten Monate. Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche, Bad. Gemusterte Tapeten, Schreibtisch, Fernseher, Klavier, Bilder an der Wand, Essen auf dem Tisch. Die Bewohner von Archangelsk haben den Fotografen zu sich nach Hause eingeladen und er hat Bilder gemacht, die einfach zeigen, wie sie leben. Lebensraum, drinnen und draußen, und wie die Menschen sich darin einrichten. Irgendwo in Russland. Das zeigt dieses wunderschöne Buch und das macht es so spannend – gerade weil es so unspektakulär ist. In seinem Essay ›Zugreise von Nirgendwo nach Nirgendwo‹ erzählt Leonid A. Klimov von seinen gemischten Gefühlen zu seiner abgelegenen kalten Heimat, die sein zu Hause bleibt, auch wenn er schon lange nicht mehr dort lebt. Vor allem wegen der Menschen.