Zweite Stimme

Eine Künstlernovelle

von

Baumeister ist Schriftsetzer, der gemeinsam mit seiner Linotype-Maschine ausgemustert wurde und nun frühpensioniert und verwitwet im hessischen Odenwald auf einem viel zu großen Grundstück lebt. Von der Welt, die ein halbes Menschenleben so aussah, als würde sie immer so weiterbestehen, ist ihm nach dem Tod seiner Frau, dem Auszug seiner Tochter und der technischen Revolution im Buchsatz nicht mehr viel geblieben. Seinen Enkeln wird er wohl einmal erklären müssen, was eine Stechuhr war, eine Kantine, eine Urabstimmung […]
Paula, Baumeisters Tochter, studiert in Kiel, wo sie ihre Examensarbeit ‚Zukunft der Arbeit‘ konzipiert: Wenn sie zu Besuch kommt, blüht
Baumeister auf.
Eines Tages lernt Baumeister auf einem Waldweg den ‚Spaziergangswissenschaftler‘ Richard Skala kennen. Skala arbeitet jenseits der
Kategorien von Nützlichkeit und Verwertbarkeit, und Baumeister wird bald Archivar dessen zahlreicher Kunstwerke.
In der Auseinandersetzung mit Skalas Kunst erarbeitet sich Baumeister die Möglichkeit, sein Leben noch einmal völlig neu zu gestalten, anders zu erzählen. Er wird Skalas kongenialer Partner und geht mit seinem ’neuartigen Archivkonzept‘ sogar über dessen Radikalität hinaus.
Wer glaubt, es hier nur mit der skurrilen Phantasie des Autors zu tun zu haben, der täuscht sich. Der Spaziergangswissenschaftler in der
Novelle hat ein reales Vorbild.